Funktioniert Charttechnik überhaupt noch?

      RE: Funktioniert Charttechnik überhaupt noch?

      Hallo!

      Nur mal so ein Gedanke zu diesem Bericht!

      Dieser Bericht ist ja ganz gut und schön, aber die Sache mit der DAX-Zusammenstellung hinkt ein wenig, da Titel die in den Dax aufgenommen werden bzw. Titel die aus dem Dax rausfliegen auch von großen Investoren verstärkt gekauft bzw. verkauft werden.

      Ich will damit sagen, daß ich der Meinung bin, daß Titel die aus dem Dax geflogen sind, gnauso wie Titel, die in den Dax aufgenommen wurden sicherlich ganz andere Kursverläufe gehabt hätten, wenn dies nicht passiert wäre!

      Demzufolge würde auch die Berechnung von Onischka nicht stimmen!

      Gruß Ylvi

      Funktioniert Charttechnik überhaupt noch?

      Ein Bericht von Onischka ,

      habe den Link in einem anderen Board aufgegriffen
      er ist mir persönlich entgangen und möglicherweisse den meisten bekannt ,da er schon vom Jahreswechel stammt.
      Dennoch dürften ihn noch nicht alle gelesen haben und ich denke er kann nicht schaden , zum nachdenken anzuregen.

      gruss Tom

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      Funktioniert die Charttechnik beim Dax überhaupt noch?

      Die längere Pause führt analytisch dazu, dass die Indizes (im speziellen hier der Dax) komplett neu bearbeitet werden, ohne auf vergangene Analyseergebnisse zurückzugreifen. Als Analyst ist es zwingend notwendig in der Lage zu sein, seine Ergebnisse von einem Tag auf den anderen um 180 Grad zu verändern - sofern die vorliegenden Informationen dies implizieren (was in der Realität nicht immer gelingt).

      Dieses In-Frage-Stellen der Analyseergebnisse und -methoden sollte in Abständen auch im übergeordneten Zusammenhang stattfinden. Die klassischen Plausibilitätsprobleme der technischen Analysen sind selbst nicht lösbar. Seit längerem beschäftigen mich bezüglich des Dax zwei Kernprobleme der langfristigen Chartanalyse, die meines Wissens bisher weder erkannt noch untersucht wurden:

      1) Dürfen historische Kursverläufe hinsichtlich der starken Veränderung bei Zusammensetzung und Gewichtung der Indizes überhaupt noch als Input verwendet werden?

      2) In wieweit verfälschen die historischen Unterschiede in den Handelszeiten (bis Mitte 90-er Jahre: 4h vs. 2003 über 11h) Ergebnisse der klassischen Chartanalyse in der visuellen Darstellung bei konstanter Zeitachse?

      Das zweite Problem ist eher technischer Natur und betrifft die sehr langfristige Chartdarstellung im Tages- und Wochenbereich. Es gibt bereits verwendbare Lösungsansätze. Jedoch sind die Auswirkungen auf die Ergebnisse von Prognosen eher marginal und kann daher als akademische Problemstellung abgestempelt werden.

      Untersucht werden soll im Folgenden das erste Problem. Verwendet man langfristige Kursverläufe (>12-24 Monate) werden Trendkanäle, Unterstützungen, Fibonacci-Verhältnisse usw. anhand historischer Preise ermittelt, die als Input für die laufende Analyse verwendet werden.


      Konkrete Problemstellung


      Konkrete Problemstellung
      Um es kurz und knapp auszudrücken erhalten beim Dax diejenigen Aktien eine hohe Gewichtung, die eine hohe Marktkapitalisierung nach dem Freefloat besitzen. Dies impliziert, sofern man von Neuemissionen einmal absieht, dass je mehr eine Aktie steigt (absolut und relativ zu den anderen Werten) deren Gewichtung ebenfalls steigen wird.

      Bsp: Eine Aktie X outperformed über mehrere Jahre den Markt. Die höheren Kurse führen zu eine höheren Marktkapitalisierung und regelmäßig zu einer höheren Gewichtung im Index, was letztlich bedeutet, dass die positive Performance des Index überproportional von X abhängt. Plötzlich kommt es zu schnellen und überproportionalen Kursverlusten bei X. Die neue, geringere Index-Gewichtung greift aber auf Grund der mittelfristigen Mittelwertbildung erst wenn die Aktie bereits im Keller ist und der Index ebenfalls dadurch deutlich eingebüsst hat.

      Das Problem ist offensichtlich: Angenommen die Aktie X würden nun wieder sehr schnell steigen und das alte Top erreichen. Da die Anpassung des Index immer \\"hinterherhinkt\\" wird der Index bei certeris paribus NICHT beim alten Top stehen.

      Konkret hatte die Deutsche Telekom 1999 eine Gewichtung von 15% im Dax, momentan nur 8.25%. Ein Grossteil der Verluste der DTE haben direkt zu den Abgaben beim Dax geführt. Würde die Telekom nun schnell deutlich steigen, könnte sie selbst wenn sie die vergangenen Verluste aufholt, die entsprechenden Index-Verluste beim Dax nicht wieder wett machen. (Die gleichen informationsökonomischen Überlegung kann man im übrigen anstellen bei einer antizipierten Veränderung der Zusammensetzung des Dax (Neuaufnahme von Werten), da es öffentliche, selbstbindende Regeln gibt)


      Empirische Überprüfung & Fazit



      Empirische Überprüfung
      Es ist nicht so trivial eine eindeutige Bestätigung für dieses Problem zu finden, da nicht zuletzt die certeris-paribus-Annahme in der Realität nicht gilt. Aber man kann solche Fragen beantworten: Wie hätte sich der Dax entwickelt, wenn sich an der Zusammensetzung/Gewichtung seit 1999 nicht geändert hätte?

      Die in den folgenden Tabellen (nur Ergebnisse) vorliegende Berechnung kann deshalb nur als Approximation verstanden werden. Dennoch kann man einen Eindruck gewinnen, wie stark sich die diskutierte Problematik auf die Indexentwicklung auswirkt.

      Tabelle1: Veränderungen der Aktien-Gewichte im Dax



      Tabelle2: Simulierte Dax-Stände bei fixierten historischen Gewichten



      Zwei wichtige Erkenntnisse
      Dass die Gewichtungsgeschichte tatsächlich Auswirkungen auf den Dax-Verlauf und somit auch auf die Charttechnik hat, zeigt die Tabelle 2. Ein Dax von 1999 ohne weitere Veränderungen würde zum Jahresschluss über 300 Punkte oder knapp 10% tiefer stehen. Bei der Zusammensetzung Ende 2001 wären es sogar knapp 20%!

      Das Spiel kann man aber auch umkehren. Unterstellt man, dass in kürze die einzelnen Dax-Aktien genauso hoch stünden, wie beim Alltimehigh vom März 2000, steht der Dax nicht bei 8.065 (Close 07.03.00), sondern über 1000 Punkte höher! Dabei sind noch nicht einmal die Performance-Anteile, wie z.B. Dividenden oder Bezugsrechte berücksichtigt. Die rechnerischen Werte am Jahrestief (14.03.03) können der Tabelle entnommen werden.

      Ergebnis: JA, bei Verwendung der langfristigen historischen Kursdaten gibt es signifikante Verzerrungen.

      Fazit: harttechnik weiterhin verwendbar, aber...

      ... es ist höchste Vorsicht geboten, wenn man langfristige Tages- und Wochencharts untersucht. Sofern man die klassische self-fulfilling-prophecy-These ablehnt, sollten beim Dax langfristige Trends, Unterstützungen, Retracements o.ä. sehr großzügig ausgelegt werden. Es ist daher widersinnig wichtige Preisbereich womöglich noch mit Nachkommastellen zu berechnen. Das dadurch die Praktikabilität stark sinkt lässt sich nicht vermeiden. Bei künftigen Analysen muss dieser Sachverhalt auf jeden Fall im Hinterkopf behalten werden.

      Dürfen historische Kursverläufe hinsichtlich der starken Veränderung bei Zusammensetzung und Gewichtung der Indizes überhaupt noch als Input verwendet werden?

      Vorbemerkung
      Nach einer längeren Pause wird es an dieser Stelle wieder in gewohnter Frequentierung Chartanalysen zum Dax geben. Der Schwerpunkt wird von meiner Seite weiterhin auf die Analysetechnik der Elliottwaves liegen.

      Um Missverständnissen vorzubeugen sei zum wiederholten Male daraufhin gewiesen, dass deren Ergebnisse isoliert (oft) nur wenig brauchbarer sind, als eine isolierte markttechnische Analyse. Es ist somit auf jeden Fall empfehlenswert weitere Analysetechniken (seien es klassische Charttechnik, visuelle Charttypen (P&F, Candles usw.), Markttechnik, Zyklen usw.) zu verwenden. Dadurch können zum einen die Stärken der Elliottwaves besser genutzt und Fehl-"Signale" teilweise gefiltert werden.

      Im Rahmen der hier publizierten technischen Analysen werden andere Analysetechniken teilweise mit eingebaut, aber nur am Rande behandelt, da nicht zuletzt der Arbeits- und Textumfang zu groß würde. Es sollte jedoch kein Problem darstellen entsprechende Informationen bei Kollegen (z.B. auch hier auf w:o) zu erhalten.


      Bemerkungen und Anfragen sind ab sofort wieder per Email unter M.Onischka@gmx.de möglich. Eine zeitnahe Beantwortung wird angestrebt kann aber nicht immer gewährleistet werden.

      Einen erfolgreiches neues Jahr 2004 wünscht


      Mathias Onischka

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von „tomtom“ ()