von Michael Vaupel
Also, weiter mit dem Thema "Fragwürdige Kursstellungen bei Optionsscheinen"! Ich hatte gestern berichtet, was der Emittent ABN Amro auf eine Anfrage des Trader's Daily Lesers Peter Z. geantwortet hatte (dieser hatte bemerkt, dass der Emittent beim Gold-Call mit der WKN 360845 innerhalb weniger Minuten deutlich niedrigere Kurse stellte, obwohl der Kurs des Basiswertes sogar eher etwas zugelegt hatte). Also, hier noch mal die Antwort des Emittenten:
"Am Freitag Abend wurde der Optionsschein mit der WKN 360845 an die von uns niedrigere implizite Volatilität angeglichen. In diesem Fall hat der Rückgang der Volatilität diesen Kursrückgang ausgemacht. Die Volatilität ist ein Maß, welches nicht unbedingt marktkonform ist. Die implizite Volatilität wird vom Emittenten in den Optionsschein eingepreist und bietet somit nicht die Transparenz wie etwa ein Zertifikat, bei welchem der Preis ausschließlich aus dem inneren Wert bestimmt wird und nicht aus anderen Faktoren, wie etwa die Volatilität."
Mich wundert diese Antwort überhaupt nicht! Denn die sogenannte "implizite Volatilität" ist die Stellschraube, mit der die Emittenten die Kurse von Optionsscheinen ziemlich willkürlich beeinflussen können. Warum das so ist:
Es gibt Formeln, mit denen sich der "faire Wert" eines Optionsscheins berechnen lässt. Die beiden Amerikaner Black und Scholes haben die grundlegende entsprechende Formel entwickelt (und zwar für Optionen), weshalb man von der "Black/Scholes-Formel" spricht. In diese Formel fließen bestimmte Faktoren ein, wie
- die Laufzeit des Scheins – die Höhe des Basispreises – der Kurs des Basiswertes – das allgemeine Zinsniveau
Es ist nun so, dass diese Faktoren von den Emittenten NICHT bestimmt werden können. Diese Faktoren stehen fest, da kann nichts getrickst werden.
Es gibt aber einen einzigen Faktor, der vom Emittenten bestimmt werden kann: Und das ist die sogenannte "implizite Volatilität". Was das ist?
"Volatilität" kann man vereinfacht mit "Schwankungsbreite" übersetzen (ich könnte Sie jetzt auch mit Begriffen wie Standardabweichung und Normalverteilung zutexten, die Details sind in diesem Zusammenhang aber überhaupt nicht notwendig). Bei der Berechnung des fairen Preises für Optionen und Optionsscheine gilt generell: Je höher die Schwankungsbreite, desto höher der faire Preis!
Das Problem mit der Volatilität: Man kann zwar historische Werte für die Volatilität eines bestimmten Basiswertes berechnen – die sogenannte "historische Volatilität" –, aber die sagt nicht unbedingt etwas über die zukünftige Entwicklung der Volatilität aus. Sie wird deshalb bei der Berechnung des fairen Preises einer Option/eines Optionsscheines nicht berücksichtigt. Stattdessen wird ein Wert für die tatsächliche Volatilität geschätzt – und dieser Wert geht dann in die Berechnung des fairen Preises ein. Dieser Wert wird die "implizite Volatilität" genannt.
Wer diesen Wert schätzt? Natürlich der Emittent, der die Kurse stellt. Und jetzt sehen Sie, warum der Emittent bei fragwürdigen Kursstellungen (z.B. ein temporäres Absacken des Optionsschein-Kurses, um Stopps auszulösen) immer mit der Standardantwort "Die implizite Volatilität hat sich geändert" antworten kann!
Dies war ja auch bei der oben zitierten Antwort von ABN Amro der Fall: "Am Freitag Abend wurde der Optionsschein mit der WKN 360845 an die von uns niedrigere implizite Volatilität angeglichen ..." bedeutet nichts anderes, als dass ABN Amro einfach den Wert für die implizite Volatilität gesenkt hat, was den Kurs des Optionsscheins fallen ließ.
Und ob so eine Senkung gerechtfertigt war oder nicht – wer kann das schon mit 100 %iger Sicherheit sagen? Der Emittent kann immer sagen, dass er diese Senkung der Volatilität aus Gott weiß welchen Gründen für sinnvoll erachtete. Und dagegen sind wir machtlos!
Sind wir völlig machtlos? Nein!
Mein Rat an Sie:
1. Da besonders Optionsscheine mit hohem Zeitwert betroffen sind (also Scheine, die "aus dem Geld" notieren), sollten Sie diese generell meiden! Der Grund: Die implizite Volatilität spielt für die Berechnung des Zeitwertes eine wichtige Rolle – und nicht beim "inneren Wert". Bei 1:1-Indexzertifikaten oder Turbo-Zertifikaten spielt die implizite Volatilität deshalb so gut wie gar keine Rolle, da diese Scheine fast gar keinen Zeitwert besitzen. Also: Am besten auf Zertifikate setzen, und bei Optionsscheinen nur solche nehmen, die "im Geld" notieren – also bei denen der Kurs des Basiswertes unter dem Basispreis notiert.
2. Auch bei Optionsscheinen ohne hohen Zeitwert sollten Sie darauf achten, dass die "implizite Volatilität" unter der "historischen Volatilität" liegt! Denn das bedeutet, dass im Preis des Optionsscheins eine relativ geringe Volatilität berücksichtigt wurde. Und da der Optionsscheinpreis bei steigender Volatilität zunimmt, haben Sie bei solchen Scheinen ein besseres Chance/Risiko-Profil. Sie finden die Werte für die "implizite" und die "historische" Volatilität kostenlos im Internet, bei Anbietern wie onvista.de (geben Sie dort einfach die ISIN oder WKN des betreffenden Optionsscheins ein).
Das ist damit gemeint, wenn Profis davon sprechen, dass Sie noch prüfen müssen, ob die "implizite unter der historischen Vola" liegt.
Ich hoffe, Ihnen mit meinen Ratschlägen geholfen zu haben. Machen Sie es den Emittenten nicht zu leicht, wenn es um "fragwürdige Kursstellungen" geht – denn es geht schließlich gleichzeitig um Ihr Geld!
Beste Grüße,
Michael Vaupel
Also, weiter mit dem Thema "Fragwürdige Kursstellungen bei Optionsscheinen"! Ich hatte gestern berichtet, was der Emittent ABN Amro auf eine Anfrage des Trader's Daily Lesers Peter Z. geantwortet hatte (dieser hatte bemerkt, dass der Emittent beim Gold-Call mit der WKN 360845 innerhalb weniger Minuten deutlich niedrigere Kurse stellte, obwohl der Kurs des Basiswertes sogar eher etwas zugelegt hatte). Also, hier noch mal die Antwort des Emittenten:
"Am Freitag Abend wurde der Optionsschein mit der WKN 360845 an die von uns niedrigere implizite Volatilität angeglichen. In diesem Fall hat der Rückgang der Volatilität diesen Kursrückgang ausgemacht. Die Volatilität ist ein Maß, welches nicht unbedingt marktkonform ist. Die implizite Volatilität wird vom Emittenten in den Optionsschein eingepreist und bietet somit nicht die Transparenz wie etwa ein Zertifikat, bei welchem der Preis ausschließlich aus dem inneren Wert bestimmt wird und nicht aus anderen Faktoren, wie etwa die Volatilität."
Mich wundert diese Antwort überhaupt nicht! Denn die sogenannte "implizite Volatilität" ist die Stellschraube, mit der die Emittenten die Kurse von Optionsscheinen ziemlich willkürlich beeinflussen können. Warum das so ist:
Es gibt Formeln, mit denen sich der "faire Wert" eines Optionsscheins berechnen lässt. Die beiden Amerikaner Black und Scholes haben die grundlegende entsprechende Formel entwickelt (und zwar für Optionen), weshalb man von der "Black/Scholes-Formel" spricht. In diese Formel fließen bestimmte Faktoren ein, wie
- die Laufzeit des Scheins – die Höhe des Basispreises – der Kurs des Basiswertes – das allgemeine Zinsniveau
Es ist nun so, dass diese Faktoren von den Emittenten NICHT bestimmt werden können. Diese Faktoren stehen fest, da kann nichts getrickst werden.
Es gibt aber einen einzigen Faktor, der vom Emittenten bestimmt werden kann: Und das ist die sogenannte "implizite Volatilität". Was das ist?
"Volatilität" kann man vereinfacht mit "Schwankungsbreite" übersetzen (ich könnte Sie jetzt auch mit Begriffen wie Standardabweichung und Normalverteilung zutexten, die Details sind in diesem Zusammenhang aber überhaupt nicht notwendig). Bei der Berechnung des fairen Preises für Optionen und Optionsscheine gilt generell: Je höher die Schwankungsbreite, desto höher der faire Preis!
Das Problem mit der Volatilität: Man kann zwar historische Werte für die Volatilität eines bestimmten Basiswertes berechnen – die sogenannte "historische Volatilität" –, aber die sagt nicht unbedingt etwas über die zukünftige Entwicklung der Volatilität aus. Sie wird deshalb bei der Berechnung des fairen Preises einer Option/eines Optionsscheines nicht berücksichtigt. Stattdessen wird ein Wert für die tatsächliche Volatilität geschätzt – und dieser Wert geht dann in die Berechnung des fairen Preises ein. Dieser Wert wird die "implizite Volatilität" genannt.
Wer diesen Wert schätzt? Natürlich der Emittent, der die Kurse stellt. Und jetzt sehen Sie, warum der Emittent bei fragwürdigen Kursstellungen (z.B. ein temporäres Absacken des Optionsschein-Kurses, um Stopps auszulösen) immer mit der Standardantwort "Die implizite Volatilität hat sich geändert" antworten kann!
Dies war ja auch bei der oben zitierten Antwort von ABN Amro der Fall: "Am Freitag Abend wurde der Optionsschein mit der WKN 360845 an die von uns niedrigere implizite Volatilität angeglichen ..." bedeutet nichts anderes, als dass ABN Amro einfach den Wert für die implizite Volatilität gesenkt hat, was den Kurs des Optionsscheins fallen ließ.
Und ob so eine Senkung gerechtfertigt war oder nicht – wer kann das schon mit 100 %iger Sicherheit sagen? Der Emittent kann immer sagen, dass er diese Senkung der Volatilität aus Gott weiß welchen Gründen für sinnvoll erachtete. Und dagegen sind wir machtlos!
Sind wir völlig machtlos? Nein!
Mein Rat an Sie:
1. Da besonders Optionsscheine mit hohem Zeitwert betroffen sind (also Scheine, die "aus dem Geld" notieren), sollten Sie diese generell meiden! Der Grund: Die implizite Volatilität spielt für die Berechnung des Zeitwertes eine wichtige Rolle – und nicht beim "inneren Wert". Bei 1:1-Indexzertifikaten oder Turbo-Zertifikaten spielt die implizite Volatilität deshalb so gut wie gar keine Rolle, da diese Scheine fast gar keinen Zeitwert besitzen. Also: Am besten auf Zertifikate setzen, und bei Optionsscheinen nur solche nehmen, die "im Geld" notieren – also bei denen der Kurs des Basiswertes unter dem Basispreis notiert.
2. Auch bei Optionsscheinen ohne hohen Zeitwert sollten Sie darauf achten, dass die "implizite Volatilität" unter der "historischen Volatilität" liegt! Denn das bedeutet, dass im Preis des Optionsscheins eine relativ geringe Volatilität berücksichtigt wurde. Und da der Optionsscheinpreis bei steigender Volatilität zunimmt, haben Sie bei solchen Scheinen ein besseres Chance/Risiko-Profil. Sie finden die Werte für die "implizite" und die "historische" Volatilität kostenlos im Internet, bei Anbietern wie onvista.de (geben Sie dort einfach die ISIN oder WKN des betreffenden Optionsscheins ein).
Das ist damit gemeint, wenn Profis davon sprechen, dass Sie noch prüfen müssen, ob die "implizite unter der historischen Vola" liegt.
Ich hoffe, Ihnen mit meinen Ratschlägen geholfen zu haben. Machen Sie es den Emittenten nicht zu leicht, wenn es um "fragwürdige Kursstellungen" geht – denn es geht schließlich gleichzeitig um Ihr Geld!
Beste Grüße,
Michael Vaupel