Zeitenwende - Wirtschaft im Umbruch

      Zeitenwende - Wirtschaft im Umbruch

      Wer hätte das je gedacht - Wendehälse Teil 2 - diesmal von der anderen Seite
      Managerlöhne: Nun will auch die Wirtschaft Grenzen setzen

      Der Wirtschaftsverband Economiesuisse verkündet seit ein paar Tagen, die Aktionäre müssten bei den Löhnen mitreden können. Vor kurzem tönte es noch ganz anders.

      Economiesuisse-Chef Bührer: Aktionäre können nie über die Informationen verfügen, die wichtig sind um Managergehälter festzulegen.

      Economiesuisse-Präsident Gerold Bührer gibt sich in diesen Tagen lammfromm: «Economiesuisse hat schon früher klar gesagt, dass die Aktionäre über die Entschädigung des Verwaltungsrates entscheiden können sollen», sagt er dem «Tages-Anzeiger» (siehe Interview). «Ich meine, dass wir den Aktionären mehr Rechte geben sollten», meinte er am Montag auch in der Gratiszeitung «News».

      Diese Aussagen erstaunen nicht: Im Moment ist es Mode, für mehr Einfluss der Aktionäre zu plädieren, wenn es um die Einschränkung der Spitzenlöhne geht. Erstaunlich ist allerdings, in welchem Tempo Economiesuisse und dessen Präsident die Kehrtwende vollzogen haben. Und wie unverfroren sie so tun, wie wenn sie schon lange dieser Meinung wären.

      Dabei reicht ein Blick auf die Internetseite von Economiesuisse, um das pure Gegenteil der jetzigen Aussagen zu finden: Noch vor genau zwei Monaten lehnte der Wirtschaftsverband in einem offiziellen Positionspapier («dossierpolitik» vom 19. August), zusätzliche Regulierungen der Löhne ab:

      «Beim Erlass von staatlichen Vorschriften ist Zurückhaltung zu üben. Dies gilt insbesondere dort, wo die flexiblen Mechanismen der Selbstregulierung spielen, wie dies im Bereich der Corporate Governance der Fall ist.»

      Konkret lehnte Economiesuisse ab, was sie nun als ihr altes Ziel ausgibt - die Aktionäre verbindlich über den Lohn des Verwaltungsrates abstimmen zu lassen:

      «Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, den Aktionären eine Mitsprache zur Salärfestlegung aufzuzwingen.»

      Stattdessen hielt Economiesuisse vor zwei Monaten noch fest, dass ein Unternehmen den Aktionären lediglich das Recht einräumen solle, die Saläre im Nachhinein pauschal mit der Jahresrechnung zu genehmigen oder dazu eine unverbindliche Konsultativabstimmung durchzuführen:

      «Allerdings ist zu beachten, dass es unsinnig wäre, dem Aktionär im Bereich der Entschädigungen absolute Zahlen zur Genehmigung vorzulegen. Dazu fehlen den Aktionären die notwendigen Informationen und Kriterien, die als Entscheidungsgrundlage für die Festlegung der Saläre unerlässlich sind.»

      In 2007 verabschiedeten Empfehlungen (Swisscode) schloss Economiesuisse zudem aus, dass die Aktionäre - wie es nun wieder diskutiert wird - auch über die Gehälter der Geschäftsleitung bestimmen können:

      «Inhaltlich steht fest, dass die Aktionäre gar nie über die Informationen verfügen können, die unerlässlich sind für die oft heikle Festlegung individueller Gehälter der obersten Manager.»

      Heftige Diskussionen im Verband

      Diese Positionen hat Economiesuisse unter der Leitung von Gerold Bührer ausgearbeitet, der seit zwei Jahren an der Spitze des Wirtschaftsverbandes steht. Für den Schaffhauser Unternehmer Thomas Minder, der die «Abzocker-Initiative» lanciert hat, ist Bührer deshalb nicht mehr tragbar: «Er kämpft am heftigsten gegen eine griffige Revision des Aktienrechts», sagte er im TA vom Montag.

      Bei den Linken ist man entsprechend skeptisch, ob die nun öffentlich zur Schau gestellte Läuterung von langer Dauer ist: «Ich glaube Herrn Bührer nichts, bis das Gesetz durchs Parlament ist», meint SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer. «Im Schwätzen sind sie gross. Aber wenn man Nägel mit Köpfen machen will, findet man sie nirgends mehr.»

      Den nun demonstrierten Gesinnungswandel intern durchzusetzen, dürfte für den Wirtschaftsverband schwer werden: «Wenn nun die Rechte der Aktionäre verstärkt werden sollen, wird dies innerhalb von Economiesuisse für heftige Diskussionen sorgen», sagt FDP-Nationalrat Johann Schneider-Ammann. «Dabei werden die Branchen ein starkes Lobbying aufziehen.» Er meint damit die Banken, die bereits 2007 verhinderten, dass Economiesuisse in ihrem Grundsatzpapier strengere Richtlinien bei Löhnen und Boni aufnahm. «Bührer muss unbeeinflusst vom Lobbying die beste Lösung für die ganze Wirtschaft suchen», fordert Schneider-Ammann, der den Aktionären seit langem mehr Einfluss geben will. «Das ist eine schwierige Aufgabe.»

      Vor einem ähnlichen Problem steht übrigens die FDP, die ebenfalls lange für Selbstregulierung eintrat. Sie fürchtet sich nun, in die Nähe von Economiesuisse gerückt zu werden. In einem Artikel über den Wirtschaftsverband wolle er sich nicht zum Aktionärsrecht äussern, sagte gestern FDP-Generalsekretär Stefan Brupbacher. Denn die FDP sei eine Partei, während Economiesuisse ein Wirtschaftsverband sei.
      Quelle: BZ ArtikelInterview
      Würde und Sein - sind allen gemein