7.02.2011
Börsen kämpfen gegen Bedeutungslosigkeit
Die Fusion der Börsen von Frankfurt und New York rückt näher. Der Druck auf die anderen Handelsplätze wächst. Doch die wahre Konkurrenz für die Börsianer - sie lauert im Internet.
Die Fusionsverhandlungen der Börsianer aus Frankfurt und New York sind weit fortgeschritten. Die Zustimmung verschiedener Gremien vorausgesetzt, wird es auch zum Zusammenschluss kommen. Eine solche Börse wäre der nach dem Umsatz größte und einflussreichste Wertpapierhandelsplatz der Welt. Das erhöht den Druck auf andere Börsen, ihrerseits zu fusionieren, um konkurrenzfähig zu bleiben. Im Raum stehen Zusammenschlüsse der Börsen von Australien und Singapur oder des bedeutenden Rohstoffumschlagplatzes in Toronto mit der Börse in London.
Die Börsen auf der ganzen Welt, wie umsatzstark und mächtig auch immer, haben das gleiche Problem: Sie müssen feststellen, dass es auch ohne sie geht. Denn das Bild von hektischen, laut schreiend über das Parkett laufenden Brokern, die mit einem Fingerzeig Millionen bewegen und Millionäre machen, ist nicht mehr zeitgemäß.
Jede Art von Wertpapier kann man heute auch jenseits der Börsen handeln. Da gehen die Titel einfach so über einen virtuellen Tresen, oder auf englisch: over the counter. "OTC", das ist der Oberbegriff für den außerbörslichen Handel.
Geschäfte ohne Börsen
Plattformen für den OTC-Handel sind etwa die von London aus operierende "Turquoise" oder "Chi-X". Dieser 2007 von der japanischen Nomura Holdings gegründete Aktienhandelsplatz ist mehrheitlich im Besitz von Großbanken – darunter Goldman-Sachs und Merrill Lynch. Schon seit einigen Jahren wickeln institutionelle Großkunden ihre Wertpapiergeschäfte bevorzugt auf diesem Weg ab, sie handeln immer seltener an den traditionellen Börsenplätzen. Der Handel abseits der Börsen, das hat sich in den vergangenen Jahren herausgestellt, ist billiger, schneller und viel flexibler.
Außerhalb der Börse ist das Geschäft nicht an starre Handelszeiten gebunden, es läuft meistens bis in die Nacht hinein, manche Plattformen arbeiten auch am Wochenende. Es muss niemand, weder der Kunde noch sein Broker, ein Büro am Handelsplatz unterhalten – an den großen Finanzplätzen wie Tokio, Frankfurt und New York ist das schließlich kein billiges Vergnügen.
Die neue Freiheit
Über das Internet kann jeder schnell und von jedem Ort aus kaufen und verkaufen – der Händler auf dem Parkett wird überflüssig. Im außerbörslichen Handel fallen auch keine Kosten in Form von Gebühren und Courtagen mehr an. Dazu kommt: Online-Broker arbeiten in der Regel zu Fixpreisen, während die Gebühren an den traditionellen Börsen sich nach dem Ordervolumen richtet und das führt bei großen Umsätzen zu beachtlich hohen Kosten.
Ein weiterer Vorteil des OTC-Handels liegt bei der Preisfeststellung: Beim Online-Geschäft bekommt der Käufer sekundenschnell einen Preis garantiert, zu dem er das gewählte Produkt erwerben kann. Das vereinfacht die Ausführungsbestätigung, das Geschäft geht schneller über die Bühne und der Kunde kann sofort ablesen, wie hoch sein Gewinn ausfällt. Außerdem gelten für den außerbörslichen Handel nicht die gleichen Restriktionen wie beim Handel auf dem Parkett. Beim OTC kann nämlich alles, auch an den Börsen nicht zugelassene hoch riskante Papiere, gehandelt werden.
Gemeinsam gegen den Abstieg
Der Trend im Wertpapierhandel scheint eindeutig: Weg von den traditionellen Börsen und dem Geschäft auf dem Parkett und hin zum fast schrankenlosen Handel im Internet. "Chi-X" etwa hat im Jahr 2010 im europäischen Handel den Umsatz um 83 Prozent gesteigert, wie "Börse.ARD" errechnet hat. Im vergangenen Jahr hängte "Chi-X" dabei die Deutsche Börse deutlich ab, mit einem Umsatz von 1,6 Billionen Euro. Die Frankfurter hatten es, einschließlich des Handels auf ihrer elektronischen Plattform "Xetra", gerade auf 1,24 Billionen Euro gebracht.
Vor dem Hintergrund der wachsenden Marktanteile des OTC-Handels bekommt die geplante Fusion der Börsen von Frankfurt und New York eine andere Bedeutung. Hier schließen sich nicht zwei Giganten zusammen, weil sie den Markt beherrschen wollen. Die Fusion der beiden Handelsplätze gleicht eher dem Versuch, gemeinsam kämpfend das Abrutschen in die Bedeutungslosigkeit zu verhindern.
Autor: Dirk Kaufmann
Redaktion: Henrik Böhme
Börsen kämpfen gegen Bedeutungslosigkeit
Die Fusion der Börsen von Frankfurt und New York rückt näher. Der Druck auf die anderen Handelsplätze wächst. Doch die wahre Konkurrenz für die Börsianer - sie lauert im Internet.
Die Fusionsverhandlungen der Börsianer aus Frankfurt und New York sind weit fortgeschritten. Die Zustimmung verschiedener Gremien vorausgesetzt, wird es auch zum Zusammenschluss kommen. Eine solche Börse wäre der nach dem Umsatz größte und einflussreichste Wertpapierhandelsplatz der Welt. Das erhöht den Druck auf andere Börsen, ihrerseits zu fusionieren, um konkurrenzfähig zu bleiben. Im Raum stehen Zusammenschlüsse der Börsen von Australien und Singapur oder des bedeutenden Rohstoffumschlagplatzes in Toronto mit der Börse in London.
Die Börsen auf der ganzen Welt, wie umsatzstark und mächtig auch immer, haben das gleiche Problem: Sie müssen feststellen, dass es auch ohne sie geht. Denn das Bild von hektischen, laut schreiend über das Parkett laufenden Brokern, die mit einem Fingerzeig Millionen bewegen und Millionäre machen, ist nicht mehr zeitgemäß.
Jede Art von Wertpapier kann man heute auch jenseits der Börsen handeln. Da gehen die Titel einfach so über einen virtuellen Tresen, oder auf englisch: over the counter. "OTC", das ist der Oberbegriff für den außerbörslichen Handel.
Geschäfte ohne Börsen
Plattformen für den OTC-Handel sind etwa die von London aus operierende "Turquoise" oder "Chi-X". Dieser 2007 von der japanischen Nomura Holdings gegründete Aktienhandelsplatz ist mehrheitlich im Besitz von Großbanken – darunter Goldman-Sachs und Merrill Lynch. Schon seit einigen Jahren wickeln institutionelle Großkunden ihre Wertpapiergeschäfte bevorzugt auf diesem Weg ab, sie handeln immer seltener an den traditionellen Börsenplätzen. Der Handel abseits der Börsen, das hat sich in den vergangenen Jahren herausgestellt, ist billiger, schneller und viel flexibler.
Außerhalb der Börse ist das Geschäft nicht an starre Handelszeiten gebunden, es läuft meistens bis in die Nacht hinein, manche Plattformen arbeiten auch am Wochenende. Es muss niemand, weder der Kunde noch sein Broker, ein Büro am Handelsplatz unterhalten – an den großen Finanzplätzen wie Tokio, Frankfurt und New York ist das schließlich kein billiges Vergnügen.
Die neue Freiheit
Über das Internet kann jeder schnell und von jedem Ort aus kaufen und verkaufen – der Händler auf dem Parkett wird überflüssig. Im außerbörslichen Handel fallen auch keine Kosten in Form von Gebühren und Courtagen mehr an. Dazu kommt: Online-Broker arbeiten in der Regel zu Fixpreisen, während die Gebühren an den traditionellen Börsen sich nach dem Ordervolumen richtet und das führt bei großen Umsätzen zu beachtlich hohen Kosten.
Ein weiterer Vorteil des OTC-Handels liegt bei der Preisfeststellung: Beim Online-Geschäft bekommt der Käufer sekundenschnell einen Preis garantiert, zu dem er das gewählte Produkt erwerben kann. Das vereinfacht die Ausführungsbestätigung, das Geschäft geht schneller über die Bühne und der Kunde kann sofort ablesen, wie hoch sein Gewinn ausfällt. Außerdem gelten für den außerbörslichen Handel nicht die gleichen Restriktionen wie beim Handel auf dem Parkett. Beim OTC kann nämlich alles, auch an den Börsen nicht zugelassene hoch riskante Papiere, gehandelt werden.
Gemeinsam gegen den Abstieg
Der Trend im Wertpapierhandel scheint eindeutig: Weg von den traditionellen Börsen und dem Geschäft auf dem Parkett und hin zum fast schrankenlosen Handel im Internet. "Chi-X" etwa hat im Jahr 2010 im europäischen Handel den Umsatz um 83 Prozent gesteigert, wie "Börse.ARD" errechnet hat. Im vergangenen Jahr hängte "Chi-X" dabei die Deutsche Börse deutlich ab, mit einem Umsatz von 1,6 Billionen Euro. Die Frankfurter hatten es, einschließlich des Handels auf ihrer elektronischen Plattform "Xetra", gerade auf 1,24 Billionen Euro gebracht.
Vor dem Hintergrund der wachsenden Marktanteile des OTC-Handels bekommt die geplante Fusion der Börsen von Frankfurt und New York eine andere Bedeutung. Hier schließen sich nicht zwei Giganten zusammen, weil sie den Markt beherrschen wollen. Die Fusion der beiden Handelsplätze gleicht eher dem Versuch, gemeinsam kämpfend das Abrutschen in die Bedeutungslosigkeit zu verhindern.
Autor: Dirk Kaufmann
Redaktion: Henrik Böhme