Portfolio-Management Proptrading/Hedgefund

      Hallo Norbert,

      ich danke dir vielmals für die sehr ausführlichen Eindrücke und Erklärungen in deinem Post!
      Deine Mühe und Arbeit für solch eine umfangreiche Antwort, weiß ich wirklich zu schätzen und rechne ich dir hoch an.
      Finde es immer gut, mehrere Meinungen zu Sachverhalten zu haben und diese deshalb aus mehreren Blickwinkeln betrachten zu können.

      Sehr große Unterschiede im Vorgehen kleiner Daytrader und konservativem Fond-Management

      @ Swinging-Markus

      Zuerst ist anzumerken, dass mir der Begriff des "positive selection portfolio" nicht hinreichend bestimmt ist für eine allumfassende Antwort. Als allgemeine Anlage-Strategie kann er alles mögliche bedeuten, im Market-Making nennt er die Teile des Portfolios, die man auch aus fundamentalen Gründen halten würde, im Gegenteil zu den Teilen, die man gerade notgedrungen halten muss, die durch weitere Aktivitäten schnellstens veräußert werden sollten.

      Wenn damit eine prozyklische Strategie gemeint ist, die die Wertentwicklung der Vergangenheit zur Vorausschau in die Zukunft nutzt und entsprechend einiger antizipierter Vorgabe-Schätzwerte für die Marktphase im Konjunkturzyklus durch Umschichten je nach den für die jeweiligen Einzelaktien vorgegebenen, die Korrelation zum Gesamt-Markt messenden Beta-Faktoren eine durch das Alpha gemessene Überrendite zur Benchmark zu erzielen, so ist das eine sehr weit verbreitete Strategie zum Managen großer Portfolios, deren Grundlagen in allen gängigen BWL-Büchern zur Kapital-Markt-Theorie gelehrt werden.

      Je nachdem, welche Eingabe-Variablen vorgegeben sind und welche genauen statistischen Algorithmen einfließen, können die Modelle in den Details und im Rechenaufwand differieren, auf heutiger Technik sind sie aber kein technisches Problem. Größerer Aufwand kann beim sicheren Zusammenstellen der Modell-Eingangs-Parameter entstehen, die erst einmal recherchiert und erfasst werden müssen, wenn man noch gar kein Know-how dazu hat oder deren Bestimmung ggf. mit vorgeschalteten anderen Modellen, wenn man sie nicht nur einfach aus einer Quelle abschreiben will. Performance-Unterschiede bei im Prinzip gleichartig operierenden Fonds resultieren aus den Nuancen der Modelle und der genutzten Schätzwerte.

      Damit ist aber auch gleichzeitig ihr klarer Nachteil beschrieben: Wenn es eine Vielzahl der großen Anleger so macht, kann keiner einen größeren Edge damit erzielen. In Summe dieser ähnlich operierenden Anleger kann so der Index niemals geschlagen werden, da diese Anleger im Wesentlichen in Summe den Index bilden.

      Ob nun gerade Hedge-Fonds so konservativ arbeiten, bleibe mal dahin gestellt, das ist eher die Domäne ganz gewöhnlicher klassischer Fonds.

      Im Verhältnis zu einer rein aus dem Bauch erfolgenden Auswahl von Aktien erzielt man so im Mittel und auf lange Sicht wirklich bessere Ergebnisse, allerdings bleibt es hier im gängigen Bereich der einfachen Index-Performance.

      Für einen Privatanleger macht es kaum Sinn, so etwas mit viel Mühe managen zu wollen, der kann einfach zu einem Index-abbildenden Instrument (ETF, Zertifikat usw.) greifen und bekommt die Leistungen, die ihn ansonsten mit Transaktionskosten deutlich schlechter stellen würden zu minimalen Management-Gebühren.

      In Summe können aktiv gemanagte Anlagen passive Anlagen nicht schlagen, da die Summe im Umverteilungs-Prozess stets Null ist (bereits wenn die die Performance weiter drückenden Management-Gebühren ignoriert werden).

      Rein technisch wählt man einfach aus dem zu handelnden Markt alle oder eine Auswahl bestimmender großer Spieler aus und löst eine Optimierungsgleichung über einer Korrelationsmatrix in Abhängigkeit von der Zyklen-abhängigen Gesamtmarktschätzung nach den optimalen Gewichtungen auf. Das ist keine allzu komplexe Rechnung, für die es genug fertige Software gibt. Das Problem für kleine Portfolios sind die dann entstehenden erheblichen Kosten bei der Neubalanzierung des Portfolios, die bei vollständiger Anpassung Transaktionen in jedem Wert erfordert.

      Ein sehr großes Problem der meisten Fonds ist, dass sie wegen regulativer oder statuarischer Vorgaben sehr hohe Mindest-Investitions-Quoten und arg eingeschränkte Nutzungs-Möglichkeiten von Derivaten haben, so dass sie auch Abschwünge in hohem Maße mitnehmen. Statt da nur ein wenig die Anteile umzuschichten, müssten sie ganz aus dem Markt aussteigen. Hier wechselwirken dann Interessen der Finanzindustrie, reale Möglichkeiten des Marktes und Verdienst-Interessen des Managements voll gegen den Anleger. Die Manager klopfen sich auf die Schultern, vielleicht !! nicht ganz so schlecht abgeschlossen zu haben wie der Index, der Anleger hat aber ein fettes Minus.

      Andere Strategien wie z. B. Long-Short sind für eine Out-Performance bei sachgerechtem Management theoretisch besser geeignet, aber auch deren Modelle werden oft geradezu fahrlässig schlecht umgesetzt.

      Die langfristige Orientierung große Vermögen verwaltender Fonds ist rein technisch gar nicht anders möglich, da die Märkte keine unbegrenzte Liquidität (und schon gar nicht für alle zugleich zum gleichzeitigen Ausstieg) her geben, dass auch Milliarden-schwere Portfolios im Sekunden-Takt umgeschichtet werden könnten. Dabei würden Drawbacks auf den Markt ausgelöst werden, die die im Orderbuch sichtbaren Preise zwischen Null und beliebig hoch schwanken lassen würden.

      Die Aufgabe professioneller Händler in großen Finanz-Institutionen ist für die meisten dort Beschäftigten nicht so sehr das schnelle Daytrading-Geschäft, sondern das Sicherstellen von Transaktionen zu Interesse-wahrenden Preisen in der Nähe halbwegs fundamental konsensfähiger Preise, ohne dass Dritte allzu leicht ihre Absichten erkennen und gegen sie zu nutze machen können. Darum werden durchaus auch den eigenen strategischen Handlungszielen zuwider laufende rein taktische Trades durchgeführt.

      Das unterscheidet die meisten Trader in solchen Institutionen ganz diametral vom kleinen Daytrader. Dort, wo die Großen einen Interesse-wahrenden halbwegs konstanten Preis durch ihre auch in einer vorgegebenen Zeit abzuwickelnden Volumina nicht mehr hin bekommen und damit den Markt in Bewegung versetzen, muss sich der kleine Daytrader nur ran hängen, egal ob prozyklisch in der Annahme eines weiteren Markt-Ungleichgewichtes oder anti-zyklisch in der Annahme von genügend Gegenreaktionen anderer Markt-Teilnehmer oder Operationen des Tarnen und Täuschens seitens der die ursprüngliche Bewegung Auslösenden.

      Die Leute, die für große Fonds traden, haben so unterschiedliche Aufgaben gegenüber einem kleinen Daytrader und sie sind durch den stetigen Kontakt mit sehr großem Geld, welches sie für Dritte verwalten, auch soweit von diesen entfernt, dass ihre Ansichten nicht maßgeblich für das Tun kleiner Daytrader sein müssen.

      Sie sind oft auch nicht so smart, wie Außenstehende vermuten würden, da ihnen sehr viele Vorgaben gemacht werden, die Software wesentliche Teile der zu tradenden Strategien enthält und eine teils ziemlich nervende Arbeitsteilung einzuhalten ist. Sicher sind wenige Prozent Vergütung von zu tradenden Milliarden mehr als hundert Prozent von (nahezu) Nichts eines kleinen Traders, aber der nur dadurch mögliche höhere Verdienst macht sie noch lange nicht zu kompetenteren Tradern. Oftmals waren sie nur zur richtigen Zeit mit der richtigen Ausbildung am richtigen Ort. Schon ihr gleich oder besser ausgebildeter Studien-Kollege, der sich nur anderswo beworben hat, kann möglicherweise für ein weit geringeres Einkommen in irgendeinem Kabäuzchen Routine-Belege bearbeiten.

      Die Aussagen zu Hedgefonds und dem Prop-Trading stimmen in der Absolutheit nicht, die weichen nämlich zuweilen schon recht deutlich vom konservativen Fond-Management üblicher Aktienfonds ab inkl. daraus entstehender Riesen-Verluste und Pleiten bis hin zu welchen, die das gesamte Welt-Finanz-System bedroht haben (u. A. LTCM{).

      Genügend Material sollte sich alleine schon im Internet unter den Suchbegriffen nach 'Portfoliotheorie' und 'Hedgefonds' finden lassen, bei Amazon oder Google kann kurz in die Bücher hinein gesehen werden, um sich eine Meinung bilden zu können, ob die Machart dem eigenen Geschmack entspricht. Die letztliche vollständige Implementation einer Software, die Hinweise zum Traden liefert, ist reine standardmäßige Programmierung und mit etwas mathematischem Verständnis auch machbar, für viele Strategien schon mit einer nicht übermäßig komplexen Excel-Tabelle. Manche Broker, z. B. Interactive Brokers bieten zur einfachen Neugewichtung von Portfolios auch schon fertige Hilfsmittel an.

      Um ganz auf die Schnelle auch ohne große Recherche einen sehr groben Einblick zu bekommen, wie solche Modelle von den Grundlagen her in etwa angegangen werden können, gebe ich mal zwei Links (Kovarianz und Korrelation, Black-Litterman Model) an, allerdings im Wissen, das es weit tiefer gehendere Materialien gibt.

      Für einen kleinen Daytrader sind im Verhältnis zum Programmier-Aufwand die "ultraperforming *hust* Tradingstrategien" ein deutlich interessanteres und lohnenswerteres Betätigungsfeld als die für größere Portfolios richtigerweise angemessenen Strategien und man sollte abgehobener Arroganz von Leuten, die zufälligerweise einen Job in einem Fond gefunden haben, nicht soweit nachgeben, dass alles Andere - noch dazu in einem ganz anderen Anwendungsbereich - gleich mal, ohne es überhaupt richtig zu verstehen, mies gemacht wird.

      Diese Arroganz ist nicht anders zu bewerten als die bei einem gerne auch mal prügelnden Disco-Türsteher, der in seiner eigenen kleinen Welt auch glauben mag, wegen einer Bevorzugung in einer ganz eingeschränkten Lebenslage, über andere Menschen erhaben zu sein. Diese Leute haben auch nur gelernt, was ihnen ihre Professoren an der Uni erzählt haben und ihre Chefs ihnen anordnen und ihr Wissen kann jeder durch Studium von wenigen Büchern und einiges praktische Training auch erwerben. Ich habe genügend Studenten kennengelernt, die als Trader eine totale Null waren und trotzdem Jobs in der Finanzindustrie bekamen.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „Norbert Gundeler“ () aus folgendem Grund: differenzieren -> differieren

      Kurzfassung: Das Trading von Fonds hat wenig bis nichts mit dem Trading, das man als Privatperson betreiben kann/will/darf zu tun, speziell europäische KAGs (Kapitalanlagegesellschaften wie z.B. Union Invest) unterliegen relativ rigiden gesetzlichen Vorgaben (OGAW und UCITS IV), da sind -gefühlt- tausende für privaten Trader übliche Dinge verboten.

      Die Langfassung folgt irgendwann am späten Nachmittag/Abend, jetzt ist da zu wenig Zeit dafür.

      Portfolio-Management Proptrading/Hedgefund

      Hallo liebe Trading-Gemeinschaft,

      hat jemand von euch Erfahrungen wie ein positive selection Portfolio gebildet, diversifiziert und gehandelt wird?
      Ich meine damit keine speziellen, ultraperforming *hust* Tradingstrategien (wie auch immer sie aussehen mögen...), sondern würde gerne wissen, wie das Portfolio-Management in professionellen Hegdefunds oder im Proprietry Trading Bereich von Investment Banken betrieben wird.
      Wie beschrieben bräuchte ich diverse Informationen zum Aufbau, zur Diversifikation, zu der Instrumenten- und Märkteauswahl, ebenso wie das Management eines solchen Portfolios.
      Meines sehr, sehr bescheidenen Wissens nach sind solche Portfolios "relativ" konservativ, auf viele Asset-Klassen gestreut, langfristig orientiert (1-6 Monate oder sogar länger), rein auf fundamentaler Analyse (außer charttechnische Einstigespunkte) aufgebaut und zielen bei ihrer Jahresperformance auf nicht mehr als stetigen 25%-30% Rendite ab.

      Ist so eine Art des Tradings für Retail-Trader überhaupt realistisch umsetzbar bzw. überhaupt erstrebenswert?

      Einer meiner Kollegen arbeitet bspw. bei der Union Investment als Trader und hat das natürlich von der Pike auf gelernt, allerdings hat er leider kaum Zeit mir diesbezüglich sein Studium runter zu beten... verständlicherweiße..
      Dieser, wie auch seine Kollegen schlagen die Hände über dem Kopf zusammen, wenn sie von diversen Tradingstrategien aus Foren etc lesen, sei es Scalping, Daytrading oder Swingtrading über kürzere Zeiträume und meist auf Charttechnik basierend.

      Da bekanntlich in erfolgreichen Hedgefunds oder eben beim Prop.trading in Banken, in denen es um viel Geld und erster Linie Kapitalerhalt geht, niemals auch nur ein Trader auf die Idee kommen würde Daytrading oder Swingtrading mit wenigen Positionen über ein paar Minuten/Stunden oder Tage zu betreiben, und diese auch nach vielen Jahren noch erfolgreich sind, interessiere ich mich dafür und würde mich in dieser Thematik gerne weiterbilden.

      Ich würde mich sehr über Informationen und/oder Quellen freuen, wo ich mich diesbezüglich - außer über einen Studiengang oder staatlichen Einrichtungen im allgemeinen - einlesen/ausbilden kann.

      Vielen Dank im Voraus für eure Hilfe.

      Gruß Markus