Die Richtlinie für Märkte in Finanzinstrumenten (Mifid) tritt am 1. November in Kraft. EU-Politiker bezeichnen sie als die größte Errungenschaft seit der Einführung des Euro. FTD-Online erklärt, was sich jetzt für die Investoren und die Banken ändert.
EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy ist begeistert: "Das ist ein bahnbrechendes Stück Regulierungsgeschichte." Die Rede ist von der Mifid, die nach fast zehn Jahren der Debatte in Kraft tritt. Das schwer verständliche und voluminöse Regelwerk - es umfasst drei Gesetze und 168 Paragrafen - soll den Traum eines einheitlichen europäischen Kapitalsmarkts verwirklichen. Aufgrund seiner Komplexität beschäftigt es Aufsichtsbehörden, Banken und sogar Energieunternehmen. Nicht alle kommen damit klar: Länder wie Ungarn oder Tschechien hinken in der Umsetzung hinterher.
Hier ein Überblick über Vor- und Nachteile des Mammutwerks:
Was ist das Ziel der Mifid?
Die Mifid betrifft alle Finanzdienstleister in der EU. Dazu zählen Banken, Handelsplattformen, Börsen, Anlageberater, Vermögensverwalter bis hin zu Maklerunternehmen sowie Energie- und Rohstoffhändlern.
Die Mifid ersetzt die 1993 verabschiedete Investment Services Directive(ISD). Sie verfolgt zwei Ziele: Einen besseren Anlegerschutz durch über nationale Grenzen hinweg harmonisierte Investmentgesetze und die Schaffung eines fairen und transparenten Kapitalmarkts. Sie ist Kernstück des "Financial Services Action Plan" (FSAP), mit dem die EU-Kommission den europäischen Finanzsektor wettbewerbsfähiger machen will.
Die Mifid tritt am 1. November in Kraft. Allerdings hinken mehrere Mitgliedsstaaten hinterher. Nach Angaben von EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy gehören dazu Spanien, Ungarn, Tschechien und Polen. In Deutschland wurde die Mifid mit dem Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (Frug) umgesetzt, das im Mai auch vom Bundesrat verabschiedet worden war.
Welche neuen Pflichten kommen auf die Anleger zu?
Anleger werden künftig gebeten, Angaben über ihren Beruf, ihren Bildungsstand und ihre Vermögensverhältnisse zu machen, damit Banken, Anlageberater und Vermögensverwalter feststellen können, ob sie ihnen bestimmte Wertpapiere empfehlen dürfen. Dabei geht es vor allem darum, ob sie das Risiko bestimmter Anlageformen verstehen und dieses auch finanziell tragen können. Die Kunden werden in Kategorien eingeteilt, unter anderem in Privatanleger und professionelle Investoren. Sie können es zwar ablehnen, vollständige Angaben zu ihrer Vermögenslage zu machen. Eine Anlageempfehlung der Bank oder des Beraters ist dann aber im Regelfall nicht möglich. Auch eine Warnung hilft nicht weiter. Für professionelle Anleger ist das Schutzniveau weniger streng. Ein Wechsel der Einstufung, auf Kundenwunsch, ist möglich.
Im sogenannten beratungsfreien Geschäft, bei dem Kunden lediglich ihre Wertpapierorders zum Beispiel über Direktbanken ausführen, sind die Anforderungen und der Schutz ebenfalls geringer. Der Anleger muss zwar seine Kenntnisse und Erfahrungen offenlegen, nicht aber seine Vermögenslage. Macht er unzureichende Angaben, erteilt die Bank eine Warnung. Der Kunde kann aber seine Wertpapiergeschäfte trotzdem durchführen. Darüber hinaus bietet die Mifid die Möglichkeit, sogenannte "nicht komplexe Finanzinstrumente", also Aktien, Fonds oder einfache Anleihen (keine Derivate), zu vertreiben. Für dieses "Execution only"-Geschäft verzichtet das Gesetz auf die Einholung von Kundenangaben.
Was ändert sich bei Beratungsgesprächen?
Die Mifid gibt erstmals europaweit vor, dass Banken und Vermittler die von Produktanbietern erhaltenen Vertriebsprovisionen gegenüber ihren Kunden offenlegen müssen. Zugleich schränkt sie die Annahme solcher Kickbacks ein. Der Grund: Diese Rückvergütungen dürfen laut EU-Vorgabe nur akzeptiert werden, wenn sie die Beratungsqualität erhöhen. Allerdings gibt es einen Haken: Die Mifid lässt zu, dass Banken die Höhe der Kickbacks nur auf Nachfrage nennen müssen. Sie sieht auch keine zivilrechtlichen Folgen für Verstöße vor, sondern höchstens Bußgelder der Aufsichtsbehörden. Umstritten unter Rechts- und Finanzexperten ist, inwieweit private Anleger sich auf die Mifid berufen und Schadensersatz fordern können. Damit bleibt die Richtlinie teilweise hinter einem im März gefällten Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zurück. Der BGH hatte entschieden, dass Banken mitteilen müssen, wie hoch die Kickbacks sind. Zudem ist das Urteil eindeutig: Es macht Klagen auf Schadensersatz und eine Rückabwicklung der Geschäfte möglich
Was ändert sich bei der Ausführung von Wertpapierorders?
Die Mifid verordnet das Prinzip der "Best Execution". Das heißt: Wertpapierorders müssen zu den besten Konditionen durchgeführt werden. Die "Concentration Rule", mit der einzelne EU-Länder wie Italien die Ausführung über die nationalen Börsen festschrieben, werden abgeschafft. Experten rechnen mit erheblich niedrigeren Kosten: Laut dem Finanzdatenanbieter Elkins McSherry sind die Kosten für Wertpapiertransaktionen in Europa doppelt so hoch wie in den USA. Dank der Mifid könnten die Transaktionskosten um 10 bis 25 Prozent sinken, in manchen Fällen sogar um 75 Prozent, schätzt die französische Bank Société Générale.
Auch hier steckt der Teufel im Detail: Die Mifid garantiert nicht, dass Kunden bei jedem Auftrag auch den besten Preis erhalten. Denn: Die Wertpapierfirmen müssen nur Ausführungsgrundsätze für jede Kategorie von Finanzinstrumenten formulieren, die gleichbleibend im Durchschnitt der Orders ein bestmögliches Ergebnis sicherstellen. Dem Kunden ist zu erläutern, nach welchen Kriterien der oder die Handelsplätze ausgewählt wurden, also warum beispielsweise Xetra dem Stuttgarter Parkett vorgezogen wird. Auch die eigene Bank kann ein Ausführungsplatz sein. Der Kunde muss den Ausführungsgrundsätzen zustimmen. Gibt er andere Weisungen, gilt für ihn die Best-Execution-Regel nicht mehr. Die Bank muss den Kunden davor aber warnen.
Quelle
EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy ist begeistert: "Das ist ein bahnbrechendes Stück Regulierungsgeschichte." Die Rede ist von der Mifid, die nach fast zehn Jahren der Debatte in Kraft tritt. Das schwer verständliche und voluminöse Regelwerk - es umfasst drei Gesetze und 168 Paragrafen - soll den Traum eines einheitlichen europäischen Kapitalsmarkts verwirklichen. Aufgrund seiner Komplexität beschäftigt es Aufsichtsbehörden, Banken und sogar Energieunternehmen. Nicht alle kommen damit klar: Länder wie Ungarn oder Tschechien hinken in der Umsetzung hinterher.
Hier ein Überblick über Vor- und Nachteile des Mammutwerks:
Was ist das Ziel der Mifid?
Die Mifid betrifft alle Finanzdienstleister in der EU. Dazu zählen Banken, Handelsplattformen, Börsen, Anlageberater, Vermögensverwalter bis hin zu Maklerunternehmen sowie Energie- und Rohstoffhändlern.
Die Mifid ersetzt die 1993 verabschiedete Investment Services Directive(ISD). Sie verfolgt zwei Ziele: Einen besseren Anlegerschutz durch über nationale Grenzen hinweg harmonisierte Investmentgesetze und die Schaffung eines fairen und transparenten Kapitalmarkts. Sie ist Kernstück des "Financial Services Action Plan" (FSAP), mit dem die EU-Kommission den europäischen Finanzsektor wettbewerbsfähiger machen will.
Die Mifid tritt am 1. November in Kraft. Allerdings hinken mehrere Mitgliedsstaaten hinterher. Nach Angaben von EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy gehören dazu Spanien, Ungarn, Tschechien und Polen. In Deutschland wurde die Mifid mit dem Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (Frug) umgesetzt, das im Mai auch vom Bundesrat verabschiedet worden war.
Welche neuen Pflichten kommen auf die Anleger zu?
Anleger werden künftig gebeten, Angaben über ihren Beruf, ihren Bildungsstand und ihre Vermögensverhältnisse zu machen, damit Banken, Anlageberater und Vermögensverwalter feststellen können, ob sie ihnen bestimmte Wertpapiere empfehlen dürfen. Dabei geht es vor allem darum, ob sie das Risiko bestimmter Anlageformen verstehen und dieses auch finanziell tragen können. Die Kunden werden in Kategorien eingeteilt, unter anderem in Privatanleger und professionelle Investoren. Sie können es zwar ablehnen, vollständige Angaben zu ihrer Vermögenslage zu machen. Eine Anlageempfehlung der Bank oder des Beraters ist dann aber im Regelfall nicht möglich. Auch eine Warnung hilft nicht weiter. Für professionelle Anleger ist das Schutzniveau weniger streng. Ein Wechsel der Einstufung, auf Kundenwunsch, ist möglich.
Im sogenannten beratungsfreien Geschäft, bei dem Kunden lediglich ihre Wertpapierorders zum Beispiel über Direktbanken ausführen, sind die Anforderungen und der Schutz ebenfalls geringer. Der Anleger muss zwar seine Kenntnisse und Erfahrungen offenlegen, nicht aber seine Vermögenslage. Macht er unzureichende Angaben, erteilt die Bank eine Warnung. Der Kunde kann aber seine Wertpapiergeschäfte trotzdem durchführen. Darüber hinaus bietet die Mifid die Möglichkeit, sogenannte "nicht komplexe Finanzinstrumente", also Aktien, Fonds oder einfache Anleihen (keine Derivate), zu vertreiben. Für dieses "Execution only"-Geschäft verzichtet das Gesetz auf die Einholung von Kundenangaben.
Was ändert sich bei Beratungsgesprächen?
Die Mifid gibt erstmals europaweit vor, dass Banken und Vermittler die von Produktanbietern erhaltenen Vertriebsprovisionen gegenüber ihren Kunden offenlegen müssen. Zugleich schränkt sie die Annahme solcher Kickbacks ein. Der Grund: Diese Rückvergütungen dürfen laut EU-Vorgabe nur akzeptiert werden, wenn sie die Beratungsqualität erhöhen. Allerdings gibt es einen Haken: Die Mifid lässt zu, dass Banken die Höhe der Kickbacks nur auf Nachfrage nennen müssen. Sie sieht auch keine zivilrechtlichen Folgen für Verstöße vor, sondern höchstens Bußgelder der Aufsichtsbehörden. Umstritten unter Rechts- und Finanzexperten ist, inwieweit private Anleger sich auf die Mifid berufen und Schadensersatz fordern können. Damit bleibt die Richtlinie teilweise hinter einem im März gefällten Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zurück. Der BGH hatte entschieden, dass Banken mitteilen müssen, wie hoch die Kickbacks sind. Zudem ist das Urteil eindeutig: Es macht Klagen auf Schadensersatz und eine Rückabwicklung der Geschäfte möglich
Was ändert sich bei der Ausführung von Wertpapierorders?
Die Mifid verordnet das Prinzip der "Best Execution". Das heißt: Wertpapierorders müssen zu den besten Konditionen durchgeführt werden. Die "Concentration Rule", mit der einzelne EU-Länder wie Italien die Ausführung über die nationalen Börsen festschrieben, werden abgeschafft. Experten rechnen mit erheblich niedrigeren Kosten: Laut dem Finanzdatenanbieter Elkins McSherry sind die Kosten für Wertpapiertransaktionen in Europa doppelt so hoch wie in den USA. Dank der Mifid könnten die Transaktionskosten um 10 bis 25 Prozent sinken, in manchen Fällen sogar um 75 Prozent, schätzt die französische Bank Société Générale.
Auch hier steckt der Teufel im Detail: Die Mifid garantiert nicht, dass Kunden bei jedem Auftrag auch den besten Preis erhalten. Denn: Die Wertpapierfirmen müssen nur Ausführungsgrundsätze für jede Kategorie von Finanzinstrumenten formulieren, die gleichbleibend im Durchschnitt der Orders ein bestmögliches Ergebnis sicherstellen. Dem Kunden ist zu erläutern, nach welchen Kriterien der oder die Handelsplätze ausgewählt wurden, also warum beispielsweise Xetra dem Stuttgarter Parkett vorgezogen wird. Auch die eigene Bank kann ein Ausführungsplatz sein. Der Kunde muss den Ausführungsgrundsätzen zustimmen. Gibt er andere Weisungen, gilt für ihn die Best-Execution-Regel nicht mehr. Die Bank muss den Kunden davor aber warnen.
Quelle