Wirtschaftswissenschaft: US-Anlegermagazine sind käuflich
Von Olaf Storbeck
Handelsblatt (21.03.06) - Gerd Bucerius reagierte brüsk: „In Ihrem Hause ist es nicht ganz klar, dass Redaktion und Anzeigenabteilung einer Zeitung scharf getrennt sind“, schrieb der Gründer der „Zeit“ 1953 an eine Versicherung, die angeboten hatte, sich für positive Berichte mit Anzeigen zu bedanken. „Damit sich solche Missverständnisse nicht wieder ereignen, habe ich die Anzeigenabteilung der ,Zeit’ angewiesen, Anzeigen Ihres Hauses nicht mehr entgegenzunehmen.“
Die klare Trennung zwischen Redaktion und Anzeigen ist ehernes Gesetz des Qualitätsjournalismus. Aber wird es in der Wirklichkeit auch beachtet? Die US-Ökonomen Jonathan Reuter (University of Oregon) und Eric Zitzewitz (Stanford University) haben dies in einer aufwändigen empirischen Studie untersucht. Die Untersuchung ist in der Februar-Ausgabe des „Quarterly Journal of Economics“ erschienen, einer der weltweit angesehensten wirtschaftswissenschaftlichen Fachzeitschriften. Die Studie zeichnet ein zwielichtiges Bild der amerikanischen Medien: Teile der US-Presse scheinen wichtigen Anzeigenkunden nach dem Mund zu schreiben.
Konkret nahmen die Forscher die Aktienfonds-Berichte von fünf wichtigen US-Medien unter die Lupe. Ausgangspunkt war die Frage: Wird über Fonds eines Anbieters wohlwollender berichtet, wenn dieser viele Anzeigen schaltet?
Ex ante und ex post objektiv
Die Autoren haben sich die Finanzbranche für die Untersuchung vorgenommen, weil diese sich besser als andere eignet, um journalistischer Befangenheit nachzuweisen. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Produkten lässt sich die Qualität eines Aktienfonds ex ante und ex post objektiv gut beurteilen. Auf den Prüfstand kamen die Tageszeitungen „New York Times“ und „Wall Street Journal“ sowie die Anlegermagazine „Money“, „Kiplinger’s Personal Finance“ und „Smart Money“. Auf diese Medien entfällt in den USA fast die Hälfte des Werbevolumens von Fondsgesellschaften.
Die Ökonomen beschafften sich für die Jahre 1997 bis 2002 Daten über das Anzeigenvolumen, das Fondsgesellschaften in den einzelnen Medien schalteten. Zudem werteten sie per Hand aus, wie positiv oder negativ jede Zeitung über welche Fonds berichtete.
Die Ergebnisse sind brisant. Zwar scheint bei den Tageszeitungen die Trennung zwischen Redaktion und Anzeigenabteilung zu funktionieren – die Ökonomen konnten weder bei der „New York Times“ noch beim „Wall Street Journal“ Gefälligkeitsjournalismus feststellen.
Ganz anders aber ist das Bild bei den Anleger-Magazinen. Die Ökonomen stellen bei „Money“, „Kiplinger’s Personal Finance“ und „Smart Money“ einen engen Zusammenhang fest zwischen den Anzeigenausgaben einer Fondsgesellschaft und der Wahrscheinlichkeit, dass Fonds dieses Anbieters empfohlen werden. So erwähnt zum Beispiel „Money“ in jährlichen Ranking der 100 besten Fonds 84 Prozent aller Gesellschaften, die im Vorjahr Anzeigen in Höhe von mindestens einer Million Dollar geschaltet hatten. Von den Firmen, die gar nicht inserierten, tauchten dagegen nur gut sieben Prozent in der Liste auf.
Für sich genommen sagt diese Korrelation noch nicht viel aus – möglicherweise erhalten gute Fonds viel Aufmerksamkeit in den Medien und werden unabhängig davon stark beworben. Daher untersuchen die Forscher die Qualität der einzelnen Fonds, basierend auf der Wertentwicklung in der Vergangenheit, der Höhe der Verwaltungsgebühren sowie der Bewertung durch unabhängige Ratingagenturen. Die Ökonomen entwickelten dafür ein mathematischen Verfahren, mit dem sie prognostizieren: Welche Fonds würden empfohlen, wenn es nach objektiven Qualitätskriterien gehen würde? Das Ergebnis: Unter den 100 von „Money“ empfohlenen Fonds sind acht oder neun nur deshalb dabei, weil die Muttergesellschaften viele Anzeigen gebucht hatten. Bei „Kiplinger’s“ und bei „Smart Money“ verhält es sich ähnlich.
Zweiter Schritt der Forscher
In einem zweiten Schritt untersuchen die Forscher: Erzielen die Anleger, die Fonds-Tipps befolgen, überdurchschnittlich hohe Renditen? Auch dieses Ergebnis hat es in sich: „Die Empfehlungen haben keinen Informationsgehalt über die zukünftige Wertentwicklung der Fonds.“
Immerhin zeigen die Ökonomen: Dies liegt nicht daran, dass wichtige Anzeigenkunden bevorzugt werden. Der Grund ist vielmehr, dass die Medien bei der Auswahl der empfohlenen Fonds generell falsche Kriterien anwenden. Sie legen laut Studie zu viel Gewicht auf die Ertragsentwicklung in der Vergangenheit und beachten andere wichtige Faktoren wie die Fondsgebühren zu wenig.
Letztlich scheint nur einer von den Tipps zu profitieren – die Fondsgesellschaft. Die Autoren der Studie zeigen: Positive Presseberichte über bestimmte Fonds führen in den folgenden zwölf Monaten zu erheblichen Mittelzuflüssen. Bleibt die Frage: Warum befolgen Investoren Empfehlungen, die erwiesenermaßen keinen Informationsgehalt über die zukünftige Entwicklung haben? Die Autoren sind ratlos: „Das ist das größte Rätsel in unseren Ergebnissen. Wir haben dafür keine wirklich zufrieden stellende Erklärung.“ An diesem Punkt sind offenbar eher Psychologen als Ökonomen gefragt.
(Quelle: Handelsblatt, handelsblatt.com/pshb?fn=tt&sfn=go&id=1210301)
Ich werde diesen Artikel nicht kommentieren, denn wenn ich da schreibe, was ich denke, dann habe ich u.a. von Trader's einen Prozess am Hals.
Von Olaf Storbeck
Handelsblatt (21.03.06) - Gerd Bucerius reagierte brüsk: „In Ihrem Hause ist es nicht ganz klar, dass Redaktion und Anzeigenabteilung einer Zeitung scharf getrennt sind“, schrieb der Gründer der „Zeit“ 1953 an eine Versicherung, die angeboten hatte, sich für positive Berichte mit Anzeigen zu bedanken. „Damit sich solche Missverständnisse nicht wieder ereignen, habe ich die Anzeigenabteilung der ,Zeit’ angewiesen, Anzeigen Ihres Hauses nicht mehr entgegenzunehmen.“
Die klare Trennung zwischen Redaktion und Anzeigen ist ehernes Gesetz des Qualitätsjournalismus. Aber wird es in der Wirklichkeit auch beachtet? Die US-Ökonomen Jonathan Reuter (University of Oregon) und Eric Zitzewitz (Stanford University) haben dies in einer aufwändigen empirischen Studie untersucht. Die Untersuchung ist in der Februar-Ausgabe des „Quarterly Journal of Economics“ erschienen, einer der weltweit angesehensten wirtschaftswissenschaftlichen Fachzeitschriften. Die Studie zeichnet ein zwielichtiges Bild der amerikanischen Medien: Teile der US-Presse scheinen wichtigen Anzeigenkunden nach dem Mund zu schreiben.
Konkret nahmen die Forscher die Aktienfonds-Berichte von fünf wichtigen US-Medien unter die Lupe. Ausgangspunkt war die Frage: Wird über Fonds eines Anbieters wohlwollender berichtet, wenn dieser viele Anzeigen schaltet?
Ex ante und ex post objektiv
Die Autoren haben sich die Finanzbranche für die Untersuchung vorgenommen, weil diese sich besser als andere eignet, um journalistischer Befangenheit nachzuweisen. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Produkten lässt sich die Qualität eines Aktienfonds ex ante und ex post objektiv gut beurteilen. Auf den Prüfstand kamen die Tageszeitungen „New York Times“ und „Wall Street Journal“ sowie die Anlegermagazine „Money“, „Kiplinger’s Personal Finance“ und „Smart Money“. Auf diese Medien entfällt in den USA fast die Hälfte des Werbevolumens von Fondsgesellschaften.
Die Ökonomen beschafften sich für die Jahre 1997 bis 2002 Daten über das Anzeigenvolumen, das Fondsgesellschaften in den einzelnen Medien schalteten. Zudem werteten sie per Hand aus, wie positiv oder negativ jede Zeitung über welche Fonds berichtete.
Die Ergebnisse sind brisant. Zwar scheint bei den Tageszeitungen die Trennung zwischen Redaktion und Anzeigenabteilung zu funktionieren – die Ökonomen konnten weder bei der „New York Times“ noch beim „Wall Street Journal“ Gefälligkeitsjournalismus feststellen.
Ganz anders aber ist das Bild bei den Anleger-Magazinen. Die Ökonomen stellen bei „Money“, „Kiplinger’s Personal Finance“ und „Smart Money“ einen engen Zusammenhang fest zwischen den Anzeigenausgaben einer Fondsgesellschaft und der Wahrscheinlichkeit, dass Fonds dieses Anbieters empfohlen werden. So erwähnt zum Beispiel „Money“ in jährlichen Ranking der 100 besten Fonds 84 Prozent aller Gesellschaften, die im Vorjahr Anzeigen in Höhe von mindestens einer Million Dollar geschaltet hatten. Von den Firmen, die gar nicht inserierten, tauchten dagegen nur gut sieben Prozent in der Liste auf.
Für sich genommen sagt diese Korrelation noch nicht viel aus – möglicherweise erhalten gute Fonds viel Aufmerksamkeit in den Medien und werden unabhängig davon stark beworben. Daher untersuchen die Forscher die Qualität der einzelnen Fonds, basierend auf der Wertentwicklung in der Vergangenheit, der Höhe der Verwaltungsgebühren sowie der Bewertung durch unabhängige Ratingagenturen. Die Ökonomen entwickelten dafür ein mathematischen Verfahren, mit dem sie prognostizieren: Welche Fonds würden empfohlen, wenn es nach objektiven Qualitätskriterien gehen würde? Das Ergebnis: Unter den 100 von „Money“ empfohlenen Fonds sind acht oder neun nur deshalb dabei, weil die Muttergesellschaften viele Anzeigen gebucht hatten. Bei „Kiplinger’s“ und bei „Smart Money“ verhält es sich ähnlich.
Zweiter Schritt der Forscher
In einem zweiten Schritt untersuchen die Forscher: Erzielen die Anleger, die Fonds-Tipps befolgen, überdurchschnittlich hohe Renditen? Auch dieses Ergebnis hat es in sich: „Die Empfehlungen haben keinen Informationsgehalt über die zukünftige Wertentwicklung der Fonds.“
Immerhin zeigen die Ökonomen: Dies liegt nicht daran, dass wichtige Anzeigenkunden bevorzugt werden. Der Grund ist vielmehr, dass die Medien bei der Auswahl der empfohlenen Fonds generell falsche Kriterien anwenden. Sie legen laut Studie zu viel Gewicht auf die Ertragsentwicklung in der Vergangenheit und beachten andere wichtige Faktoren wie die Fondsgebühren zu wenig.
Letztlich scheint nur einer von den Tipps zu profitieren – die Fondsgesellschaft. Die Autoren der Studie zeigen: Positive Presseberichte über bestimmte Fonds führen in den folgenden zwölf Monaten zu erheblichen Mittelzuflüssen. Bleibt die Frage: Warum befolgen Investoren Empfehlungen, die erwiesenermaßen keinen Informationsgehalt über die zukünftige Entwicklung haben? Die Autoren sind ratlos: „Das ist das größte Rätsel in unseren Ergebnissen. Wir haben dafür keine wirklich zufrieden stellende Erklärung.“ An diesem Punkt sind offenbar eher Psychologen als Ökonomen gefragt.
(Quelle: Handelsblatt, handelsblatt.com/pshb?fn=tt&sfn=go&id=1210301)
Ich werde diesen Artikel nicht kommentieren, denn wenn ich da schreibe, was ich denke, dann habe ich u.a. von Trader's einen Prozess am Hals.
