Mittwoch, 18. August 2004
Eine Bodenbildung aus der Sicht der Investoren
von Jochen Steffens
Ich kann dieses Wort nicht mehr hören. Deswegen werde ich heute nichts über diese klebrige schwarze Flüssigkeit schreiben, deren Preis irgendwie nicht sinken will. Ich werde nichts darüber schreiben, dass es in Venezuela zu Tumulten kam und das nun das Wahlergebnis überprüft wird. Auch werde ich nicht davon berichten, dass in Nadschaf im Irak die Verhandlungen zwischen dem aufständischen Shiitenführer Al Sadr und der irakischen Nationalkonferenz gescheitert sind.
Ich werde den heutigen Tag, an dem uns kaum Konjunkturdaten stören, lediglich dazu benutzen etwas über die Psychologie einer Bodenbildung zu schreiben – oder besser, über den Idealfall einer Bodenbildung:
Wir stellen uns vor, es sei zu einem stärkeren, fast erdrutschartigen Einbruch im Dax von 4100 auf 3660 Punkte gekommen. Viele Anleger sehen dem Treiben und ihren sinkenden Gewinnen mit immer größer werdenden Augen und immer schmäler werdenden Geldbörsen zu. Die, die jetzt noch nicht verkauft haben denken sich, das ist doch bereits total übertrieben, jetzt noch auszusteigen ist Unsinn, ich warte auf eine Gegenbewegung!
Mit anderen Worten: der Kaufdruck lässt deutlich nach. Erste Mutige und einige Trader erkennen das und springen auf. Es kommt zu einer zunächst mäßigen, dann sich leicht beschleunigenden Aufwärtsbewegung bis zur, sagen wir: 3730er Mark. Hier steigen dann "endlich" die, die auf eine Gegenbewegung gewartet haben aus, besonders diejenigen, die jetzt wieder im Gewinn sind.
Bei den anderen, die vielleicht oben gekauft haben und Verlustpositionen halten, schlug gerade das Grauen in Hoffnung um: "Ja, der Markt dreht!", hört man sie rufen, "ich habe doch keinen Fehler gemacht alles wird gut!". Leider eine falsche Erkenntnis: Denn, wie ich hier schon mehrfach geschrieben habe: Der erste Boden ist meistens nicht der wirkliche.
Das hat folgenden Grund: Die oben genannten, die die nun noch Gewinne realisieren können, verkaufen – zumindest einen Teil ihrer Positionen. Die Daytrader, die das Tief erwischt haben oder etwas später eingestiegen sind, nehmen ihre Gewinne mit – das führt zu Verkaufsdruck. Die Bullen hingegen, haben quasi noch erstaunt ihre Münder offen, dass es so heftig abwärts gehen konnte und tun paralysiert noch nichts, sondern warten ab, wie es sich weiter entwickelt.
Der Verkaufsdruck führt dazu, dass die Kurse wieder fallen. Nun kommen die Anleger wieder ins Spiel, die gerade noch gedacht haben: "Ja, der Markt dreht!" Die sehen die wieder fallenden Kurse und reagieren panisch und verkaufen. Vernünftigere sagen, wenn es durch das letzte Tief (3660) geht, verkaufe ich wieder. An diesem Tief bei 3660 Punkten haben mittlerweile auch langfristigere ihre Reisleine in Form eines Stops angebracht. Natürlich führen die Verkäufe dazu, dass diese Marke bricht. Die Vernünftigeren springen raus, einige langfristig orientierten Anleger ebenfalls, einige Trader setzten auf short, der Markt rutscht noch einmal in weitere Tiefen unter sich vergrößerndem Umsatz.
Irgendwann ist der Markt "leergekauft", vielleicht in einem kleinen panikartigen finalen Ausverkauf, der den Dax auf 3620 Punkte treibt. Hier fängt sich der Markt. Wieder steigen einige Day-Trader ein. Aber auch den ersten Institutionellen wird klar, dass die aktuellen Kurse auf mittelfristige Sicht eine kleine Position wert seien und steigen ein. Der Markt steigt wieder, langsam unter unsicherem Schwanken.
Einige derjenigen, die beim Bruch der 3660er Marke verkauft haben, denken: "Mist, am Tief verkauft und kaufen wieder nach". Zu den ganzen Käufern kommen noch die ersten Bullen, die sich von dem ersten "Schock" erholt haben. Der Markt steigt wieder auf die alte Marke bei 3730 Punkten. Dort steigen die Trader wieder aus. Auch diejenigen steigen nun aus, die bei 3660 Punkten schon raus wollten aber immer noch drin sind. Sie haben nun eine Gegenbewegung ungenutzt vorbeigelassen und noch weitere schmerzhafte Kursverluste hinnehmen müssen – der Mensch lernt: also steigen sie bei dieser Gegenbewegung aus. Die Bullen warten auf einen nachhaltigen Bruch dieser Marke, um weitere Positionen einzugehen. Die Folge: Die Kurse schwächeln wieder.
Der Markt kann diese Marke beim ersten Anlauf nicht überwinden und sackt wieder auf 3660 Punkte.
Hier entscheidet sich jetzt dann endgültig, ob es ein Boden ist oder ob es weiter abwärts geht.
Kommen bei dieser Marke neue Bullen in den Markt, die es schaffen, die Markt über die 3730 Punkte zu bringen, dann wird das Zutrauen der Anleger steigen. Sofern keine störenden Nachrichten kommen, kann der Markt weiter und weiter steigen.
Sollten jedoch in diesem Moment die Bullen keine Kraft entwickeln und der Markt unter das letzte Tief fallen, dann werden noch mehr Menschen aussteigen. Das gleiche Spiel wiederholt sich, nur eine Ebene tiefer.
Das ist natürlich einidealtypischer Verlauf – der zudem eine ganze Reihen von Faktoren außer Acht lässt, der aber das grundsätzliche Prinzip eines Bodens deutlich macht. Charttechniker kennen diese Art von Bodenbildung unter dem Namen "umgekehrte SKS".
Achten Sie also auf die 3730/40er Marke!
Eine Bodenbildung aus der Sicht der Investoren
von Jochen Steffens
Ich kann dieses Wort nicht mehr hören. Deswegen werde ich heute nichts über diese klebrige schwarze Flüssigkeit schreiben, deren Preis irgendwie nicht sinken will. Ich werde nichts darüber schreiben, dass es in Venezuela zu Tumulten kam und das nun das Wahlergebnis überprüft wird. Auch werde ich nicht davon berichten, dass in Nadschaf im Irak die Verhandlungen zwischen dem aufständischen Shiitenführer Al Sadr und der irakischen Nationalkonferenz gescheitert sind.
Ich werde den heutigen Tag, an dem uns kaum Konjunkturdaten stören, lediglich dazu benutzen etwas über die Psychologie einer Bodenbildung zu schreiben – oder besser, über den Idealfall einer Bodenbildung:
Wir stellen uns vor, es sei zu einem stärkeren, fast erdrutschartigen Einbruch im Dax von 4100 auf 3660 Punkte gekommen. Viele Anleger sehen dem Treiben und ihren sinkenden Gewinnen mit immer größer werdenden Augen und immer schmäler werdenden Geldbörsen zu. Die, die jetzt noch nicht verkauft haben denken sich, das ist doch bereits total übertrieben, jetzt noch auszusteigen ist Unsinn, ich warte auf eine Gegenbewegung!
Mit anderen Worten: der Kaufdruck lässt deutlich nach. Erste Mutige und einige Trader erkennen das und springen auf. Es kommt zu einer zunächst mäßigen, dann sich leicht beschleunigenden Aufwärtsbewegung bis zur, sagen wir: 3730er Mark. Hier steigen dann "endlich" die, die auf eine Gegenbewegung gewartet haben aus, besonders diejenigen, die jetzt wieder im Gewinn sind.
Bei den anderen, die vielleicht oben gekauft haben und Verlustpositionen halten, schlug gerade das Grauen in Hoffnung um: "Ja, der Markt dreht!", hört man sie rufen, "ich habe doch keinen Fehler gemacht alles wird gut!". Leider eine falsche Erkenntnis: Denn, wie ich hier schon mehrfach geschrieben habe: Der erste Boden ist meistens nicht der wirkliche.
Das hat folgenden Grund: Die oben genannten, die die nun noch Gewinne realisieren können, verkaufen – zumindest einen Teil ihrer Positionen. Die Daytrader, die das Tief erwischt haben oder etwas später eingestiegen sind, nehmen ihre Gewinne mit – das führt zu Verkaufsdruck. Die Bullen hingegen, haben quasi noch erstaunt ihre Münder offen, dass es so heftig abwärts gehen konnte und tun paralysiert noch nichts, sondern warten ab, wie es sich weiter entwickelt.
Der Verkaufsdruck führt dazu, dass die Kurse wieder fallen. Nun kommen die Anleger wieder ins Spiel, die gerade noch gedacht haben: "Ja, der Markt dreht!" Die sehen die wieder fallenden Kurse und reagieren panisch und verkaufen. Vernünftigere sagen, wenn es durch das letzte Tief (3660) geht, verkaufe ich wieder. An diesem Tief bei 3660 Punkten haben mittlerweile auch langfristigere ihre Reisleine in Form eines Stops angebracht. Natürlich führen die Verkäufe dazu, dass diese Marke bricht. Die Vernünftigeren springen raus, einige langfristig orientierten Anleger ebenfalls, einige Trader setzten auf short, der Markt rutscht noch einmal in weitere Tiefen unter sich vergrößerndem Umsatz.
Irgendwann ist der Markt "leergekauft", vielleicht in einem kleinen panikartigen finalen Ausverkauf, der den Dax auf 3620 Punkte treibt. Hier fängt sich der Markt. Wieder steigen einige Day-Trader ein. Aber auch den ersten Institutionellen wird klar, dass die aktuellen Kurse auf mittelfristige Sicht eine kleine Position wert seien und steigen ein. Der Markt steigt wieder, langsam unter unsicherem Schwanken.
Einige derjenigen, die beim Bruch der 3660er Marke verkauft haben, denken: "Mist, am Tief verkauft und kaufen wieder nach". Zu den ganzen Käufern kommen noch die ersten Bullen, die sich von dem ersten "Schock" erholt haben. Der Markt steigt wieder auf die alte Marke bei 3730 Punkten. Dort steigen die Trader wieder aus. Auch diejenigen steigen nun aus, die bei 3660 Punkten schon raus wollten aber immer noch drin sind. Sie haben nun eine Gegenbewegung ungenutzt vorbeigelassen und noch weitere schmerzhafte Kursverluste hinnehmen müssen – der Mensch lernt: also steigen sie bei dieser Gegenbewegung aus. Die Bullen warten auf einen nachhaltigen Bruch dieser Marke, um weitere Positionen einzugehen. Die Folge: Die Kurse schwächeln wieder.
Der Markt kann diese Marke beim ersten Anlauf nicht überwinden und sackt wieder auf 3660 Punkte.
Hier entscheidet sich jetzt dann endgültig, ob es ein Boden ist oder ob es weiter abwärts geht.
Kommen bei dieser Marke neue Bullen in den Markt, die es schaffen, die Markt über die 3730 Punkte zu bringen, dann wird das Zutrauen der Anleger steigen. Sofern keine störenden Nachrichten kommen, kann der Markt weiter und weiter steigen.
Sollten jedoch in diesem Moment die Bullen keine Kraft entwickeln und der Markt unter das letzte Tief fallen, dann werden noch mehr Menschen aussteigen. Das gleiche Spiel wiederholt sich, nur eine Ebene tiefer.
Das ist natürlich einidealtypischer Verlauf – der zudem eine ganze Reihen von Faktoren außer Acht lässt, der aber das grundsätzliche Prinzip eines Bodens deutlich macht. Charttechniker kennen diese Art von Bodenbildung unter dem Namen "umgekehrte SKS".
Achten Sie also auf die 3730/40er Marke!
Gruß
Corrado-------
"Um das Geld zu meistern, muß man sich zuerst meistern".