Und noch ein Beitrag, gelesen bei :
www.terminmarktwelt.de
Thema: Tradingsysteme in und mit Metastock
Von: metatrader Am: 07.10.2001 13:34:42 Gelesen: 743
Hallo,
ich habe in der letzten Zeit recht viele Mails und Anfragen von Mitgliedern dieses Boards erhalten. Es ging um Handelssysteme, Datenanbieter und einiges mehr. Da ich momentan beruflich sehr stark ausgelastet bin, konnte ich noch nicht alle Anfragen beantworten. Mit diesem Beitrag möchte ich mal auf einige Kernfragen eingehen und versuchen, einige Grundlagen zu Tradingsystemen zu erklären.
Wenn man hier einige Beiträge liest, so muss man feststellen, das sehr vielen Board
Teilnehmern ein wenig Realismus fehlt (ist nicht abwertend gemeint). So nach dem Motto: Ich habe mir jetzt Metastock gekauft, scanne mit meinen supertollen (evtl. noch in jahrelanger Heimarbeit) entwickelten System mal eben meine US Werte durch und bin in Null Komma Nichts ein reicher Mann. Das ist zwar möglich, aber relativ unwahrscheinlich.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
Viele Anfänger machen oft den Fehler, eine Aktie in einer Art Mikrokosmos zu sehen, man erhält ein Kaufsignal (irgendeiner Form) und glaubt, das die Aktie sich dem Handelssignal entsprechend verhält. Warum ist das nicht oder nur teilweise richtig?
Welche Faktoren können den Kurs einer Aktie oder mein System beeinflussen (kleine, nicht vollständige Auswahl)?
0) der Markt, Marktopologie, Marktformen
Es ist wichtig zu verstehen, das man nicht alleine im Markt herumschwirrt, sondern das der Markt aus einer Vielzahl (völlig unterschiedlich agierender) Individuen und Interessengruppen besteht: Den Fundamentalisten, den langfristigen Investor, den Technikern, den Chartis, den Tradern, den Fonds, den Value Investoren, .... und nicht zu vergessen: den oder die Market Maker. Da hier die Preise/Kurse quasi gemacht werden, gilt es besonders diese Spezies zu verstehen( lesenswert: Bücher über Behavioral Finance).
Der Aktienmarkt kann zudem nicht losgelöst vom wirtschaftlichen, finanziellen und sozialen Umfeld gesehen werden. Je geringer die Haltedauer der Investition, desto geringer in der Regel die „Störfaktoren“. Der Markt umfasst aber zum Glück viele messbare Komponenten, die allgemein zugänglich sind. Das Zinsniveau, das Wirtschaftswachstum, die Stimmung (Sentiment), usw.
Das Sentiment ist ein ganz wichtiger Aspekt, in den USA sind diese Informationen allgemein zugänglich und als Indikatoren in Tradingsystemen zu verwenden. Ein paar bekannte:
Arms Trin Index, Trust Oszillator, Advance Decline Line, A/D Ratio, Put/Call Verhältnis, Bullish Percent Indikatoren, McClellan Oszillatoren, Cumulative Tick, Volatilität
Diese Indikatoren können als Rohdaten aber auch gewichtet (über verschiedene Zeithorizonte) eingebaut werden
Die Markttopologie befasst sich mit der Relation von Aktien und oder Indizes, simple Beispiele: Wenn die Telekom Carrier fallen, dann fallen die Zulieferer. Wenn Oracle steigt, dann steigt auch Peoplesoft und SAP. Wenn die Zinsen fallen, steigen Bankenwerte. Wenn Automobilhersteller wachsen, profitieren die Zulieferer. In der Praxis sind diese Modelle natürlich deutlich komplexer.
In der Regel ist es so, das bis zu 80% der Kursgewinne dem Verhalten des Segments/Industriegruppe/Index zuzuordnen sind, darum sollte man immer von oben nach unten seine Anlageentscheidungen treffen.
Da Metastock keine Fundamentaldaten verwalten kann, ist unbedingt bei der Anlage der Datenstruktur darauf zu achten, das man die Aktien nicht kunterbunt oder alphabetisch gruppiert, sondern eine sinnvolle Unterteilung (z.B. nach Indizes, Segmenten, ..) einhält. Dies ist auch wichtig, da sich Finanztitel in der Regel völlig unterschiedlich zu Internetwerten verhalten, ein Nyse Wert anders als ein Nasdaq Wert.
1) Fundamental Daten (Earnings, PE, Cash Flow,...), Ratings, News, Short Interest/ - Ratio, Institutional Ownership, Freefloat
selbsterklärend: Es sollte klar sein, das sich auf längere Sicht eine Aktie nicht ganz losgelöst von den Fundamentaldaten entwickeln kann. Da Metastock aber keine Möglichkeiten hat, Fundamentaldaten in Tradingsystemen zu berücksichtigen, ist man auf andere Programme/Dienste angewiesen.
2) Upgrades, Downgrades, Empfehlungen, Initiations
ein leider manchmal unkalkulierbares Risiko. Wenn ein Analyst meine Aktie gerade nach dem Kauf abstuft, die Firma eine Gewinnwarnung ausspricht, hat man halt Pech gehabt. Leider ist es auch nicht mit der Aktie allein getan, denn wenn eine Cisco massive Problem hat, so führt dies in der Regel auch zu Kursabschlägen bei anderen Werten aus diesem Bereich (siehe auch die Topologien). Leider kommen Downgrades oft technisch sehr unpassenden Stellen (wie z.B. wichtigen Supports).
Man kann im Rahmen der Technischen Analyse versuchen, eventuelle Hinweise auf einen stärkeren Kursausbruch zu finden (ungewöhnlicher Volumenanstieg, hohe Insiderkäufe/-verkäufe, hoher Anstieg in Optionen, ...), aber auch dies schützt nicht vor bösen Überraschungen.
3) Options und open Interest, COT Data
In den USA laufen Optionen am dritten Freitag im Monat aus, aufgrund des bekannten Open Interest auf Optionen kann man den Kurs bestimmen, an dem der Market Maker den geringsten Schaden erleidet (Maximum Pain Theory). Dies ist ein sehr guter Indikator.
Da sich das Smart Money gerne mit Optionen eindeckt, ist es oft hilfreich festzustellen, wenn ungewöhnliche Aktivitäten oder ein überhöhtes Handelsvolumen in gewissen Werten/Branchen entsteht (man denke hier auch an das WTC Attentat).
Commitment of Traders, einmal wöchentlich veröffentlichter Bericht, dem man entnehmen kann, wie sich Large Speculators, Small Speculators und Commercial positioniert haben. Hier sieht man das den Saldo des Open Interest und ob die jeweilige Gruppe long oder short positioniert ist. Auch im Terminmarktgeschäft ein sehr wichtiges Hilfsmittel, da dort die Daten für Silber, Gold, Euro, Korn, ... enthalten sind.
Sollten also die Commercials sich alle auf der Euro Short Seite befinden, kann es technisch noch so gut aussehen, der Euro wird vielleicht trotzdem nicht steigen.
4) Technik
Es gibt eine Unzahl von Analysemethoden: Gann Theorie, Elliot Wave Analyse, Fibonacci, Chaos Theorie, Fraktal Analyse, lienare und nicht lineare Analyse Methoden, Formationen und Pattern, Fuzzy Analyse, Fourier, neuronale Netze, ...
Haben wir einen Bullen oder einen Bärenmarkt, einen Aufwärts- oder Abwärtstrend, einen Oszillierenden Markt, einen Trading oder einen Trending Markt, kauft man die Dips oder wird in die Ralley verkauft, kauft man am Support oder Trendfolgend nach dem Break eines Widerstandes, ...?
Es ist sehr wichtig, das man den Markt und das Käuferverhalten versteht.
Es gibt eine unendliche Anzahl von Indikatoren, die alle Handelssignale generieren, nur liefert ein Trendfolgender Indikator in einem oszillierenden Markt kein brauchbaren Ergebnisse, genauso wenig wie ein Oszillator in einem starken Trend (Markt). Auch muss man erkennen/messen, wie sich ein Indikator zu einem Basiswert verhält (Korrelations-Analyse).
Es gibt verschiedene Chartformen, die sehr häufig zu völlig unterschiedlichen Aussagen führen kann: P&F Charts, Candles, Bars, Three Line Break, Kagi, ....
Es gibt eine große Anzahl von Patterns oder Chartformationen, die man auswerten oder traden kann (wenn man sie denn erkennt). Dies können bullishe oder bearishe Umkehr- oder Trendbestätigungsformationen sein, es können Bull- oder Bearflags sein, Breakaway Gaps, Island Reversals, Hook Reversals, aufsteigende, fallende oder symetrische Dreiecke oder einfache Konsolidierungspatterns sein, Kopf- und Schulterformationen, fuzzy Patterns, double top, tripple bottom, higher highs und higher lows, Trendkanäle, Gann Angle, Fibonacci Retracements, .... (Ende offen)
Je kürzer die betrachteten Zeitintervalle, desto häufiger deren Auftreten.
Es gibt eine fast unendliche Anzahl von Indikatoren, es ist ganz wichtig zu verstehen: Es gibt nicht den Super Indikator, sondern jeder Indikator kann und wird in den entsprechenden Märkten ein gutes oder weniger gutes Handelssignal erzeugen.
5) Zeithorizont
Hier gilt es im wesentlichen drei Faktoren zu unterscheiden:
Das Datenmaterial: Real Tick, 1, 2, 6, 30, 60 Minuten Bars, das Tages- oder Monatsdaten. Es ist sehr wichtig, das man in seinen Anlagehorizont verschiedene Zeithorizonte berücksichtigt: Die übergeordnete Zeiteinheit (z.B der Tag) gibt den Trend vor, die untergeordnete (z.B. 30 Minuten Charts) sind zum Timing fast unerlässlich.
Haltedauer/Anlagehorizont:Man kann eine Position 1 Minute, 1 Tag oder einen Monat halten. Diese Berücksichtigung ist in Tradingsystemen schwierig.
Zum Schluss noch die Zeiteinstellung der Indikatoren, es ist ein gewaltiger Unterschied, ob man ein Stochastik(5,3) oder eine Stochastik(14,5) betrachtet, ob der RSI über 7 oder 28 Tage geht oder der Aaron 7 oder 14 heißt.
So ergibt sich ein oftmals stark divergierendes Bild einer Aktie, oder auch bei den Indikatoren. Während eine Aktie in den 30 Minuten Charts überverkauft ist und Verkaufssignale generiert, werden in den Tages Charts gerade die ersten Kaufsignale erzeugt.
Je mehr unterschiedliche Zeithorizonte quasi paarallel agieren oder reagieren, desto profitabler ist in der Regel ein Trade.
6) Daten
Die Daten sind eines der Kernpunkte, denn mit schlechten Daten bricht jedes Tradingsystem zusammen. Es ist klasse, wenn man Daten für lau bekommen kann, aber ist es das Risiko wert? Fehlende Splits, keine nachträglichen Korrekturen von Fehltrades, ...? Ich denke nicht.
Aus meiner Erfahrung heraus, würde ich bei End of Day Daten Reuters empfehlen ( reutersdatalink.com ), bei Realtimedaten würde ich bei traders-soft.com den Konverter für quotes.com nehmen und die Daten dort beziehen.
Eingangs hatte ich einmal erwähnt, das man bei der Zusammenstellung der Daten sehr sorgfältig vorgehen sollte und leider auch keine Fundamentaldaten in Metastock verwalten werden können. Beides lässt sich mit quotes.com hervorragend lösen. Aus quotes (bzw QCharts) lassen sich (über die quote sheets) nach Segmenten sortierte Listen (via Excel, ASCI) nach Metastock exportieren, die Fundamentaldaten, News etc sind in Realtime verfügbar. Zudem ist QCharts ein sehr gutes Tool.
Ein weiterer Aspekt ist der ausserbörsliche Handel, der häufig zu starken Kursbewegungen führt, darum kann man de facto kaum nach reinen EOD Daten traden.
7) Meine Konkurrenten
Die Konkurrenz ist groß , und sie ist vor allen Dingen gut. Ca. 30% des Handels wird von aktiven Tradern bestimmt, die nichts anderes tun, als den Finger an der Maus zu haben. Mit hochmodernen Ordersystemen kann man in Sekundenschnelle Orders im Markt placieren. Das Angebot an guten Online Handelssystemen, Screening Tools und Online-Services ist ständig am wachsen. Es gibt eine große Anzahl von Firmen, die nichts anderes machen, als Trading- oder Handelssysteme für die mehr als 50 hervorragenden Softwaresysteme zu entwerfen.
Und es gibt den professionellen Trader, der auf Kommissionsbasis für Brokerfirmen oder auf eigene Rechnung arbeitet. So hat jeder größere Broker eine oder mehrere Firmen, die nichts anderes macht, als zu traden, Handelssysteme zu testen oder zu entwerfen. Und hier läuft nicht Lieschen Meier rum, hier sind wirklich Spitzenkräfte am Werk.
Und nicht vergessen sollte man einen Aspekt aus der Evolution: Nur die stärksten überleben
Money und Risk Managment, Gebühren
Ein Punkt, der sehr schwer in Tradingsystemen zu implementieren ist, ist das Money und Risk Managment. Es reicht bei weitem nicht aus zu denken, mit einem trailing Stop sei die Sache gegessen.
Da man Gebühren zahlen muss, ist es unerlässlich, die Transaktionskosten zu berücksichtigen. Schwierig ist es oft, den tatsächlichen Spread mit einzubauen: Cisco hat einen Differenz von 2 Cent im Bid und Ask, Veritas vielleicht 20 Cent und manche Aktien vielleicht 2 $. Zudem sollte man bedenken, das der Kauf von Aktien in der Regel zu einer Erhöhung des Preises führt, ein Verkauf in der Regel zu fallenden Kursen. Besitzt man kein Konto in den USA, so werden durch hart gesetzte Stops die Verluste teilweise dramatisch erhöht, wenn der Stopkurs nach Börsenschluss Deutschland unterschritten wird.
Wichtig (aber in Metastock nicht realisierbar) sind Aspekte der Spieltheorie (z.B. Monte Carlo Simulationen). Es ist erwiesen, das man unter Berücksichtigung verschiedener Trade Größen teils dramatische Performanceunterschiede erreichen kann.
Das Risikoprofil der Aktie: Eine Aktie mit einer Intradayschwankung von 10-15% ist anders zu handeln/behandeln wie ein Wert, der in der Regel nur 3% schwankt (Schlagwort Volatilität).
Und ein wesentlicher Aspekt spielt auch die eigene Risikobereitschaft.
Und last, but not least: Entry und Exit Strategien. Jedes System erzeugt Handelssignale, aber wo und wie steigt man ein, wo sind die Stops zu platzieren? Wann wird ein Gewinn oder Verlust realisiert? In Prozenten, Tagen oder nach dem Auftreten bestimmter Ereignisse (z.B. Doji)? Wählt man den Wert eines Indikators (RSI(6) > 60) oder ein Cross zweier Indikatoren oder lieber den Cross mit einer (wie auch immer gearteten) Moving Average?
--------------------------------------------------------------------------------
So, ich denke, das sollte als eine kurze Einführung genügen. Man könnte über jeden dieser Aspekt Bücher schreiben (und es gibt ja auch eine Menge davon), aber auch so dürfte erst einmal klar geworden sein, worum es geht. Die Börse ist ein knallhartes Geschäft, wo Gruppe oder Individuen danach streben, möglichst hohe Profite zu erzielen. Als "kleinem" Investor oder Trader stehen einem leider nicht alle relevanten Informationen rechtzeitig zur Verfügung und man hat in der Regel nicht die (finanziellen) Mittel, um Kurse manipulieren zu können.
Ein ganz wesentlicher Aspekt ist der ständige Wandel in der technischen Analyse. Durch moderne Analyseverfahren und moderne, superschnelle Rechner ist man heute in der Lage, auch sehr komplexe Scenarien in sehr kurzer Zeit durchzuspielen. Moderne Systeme (z.B. neuronale Netze) sind in der Lage, in Echtzeit auf veränderte Marktsituationen einzugehen. Durch moderne Computer Ordersysteme ist es möglich, vorher eingespielte Scenarien blitzschnell und jederzeit abzurufen (man denke hier an die oft extremen Kurs Veränderungen nach Zinssenkungen in den USA oder nach Gewinnwarnungen).
Bei Trading Systemen ist zudem ein sehr wichtiger Aspekt, ob eine direct Order execution möglich ist, oder wir die Order erst zeitlich verzögert im Markt platzieren können.
Ohne Führerschein kann/darf man kein Auto fahren, wer einen Führerschein besitzt kann nicht unbedingt Auto fahren. Will sagen: Man benötigt gewisse Grundvoraussetzungen, um Tradingsysteme zu entwickeln bzw. an der Börse überleben zu können. Bei Tradingsystemen ist es unabdingbar, das man die Wirkungsweise, den Aufbau und das Zusammenspiel der Indikatoren genau versteht. Welcher Indikator oder welche Kombination in welchem Markt dann funktioniert lehrt einen die Erfahrung. Und je nach individueller Vorbildung ist man eventuell auch gar nicht in der Lage, gewisse statistische oder mathematische Methoden zielgerichtet anzuwenden.
Wenn man einer Million Affen einen Stift und ein Blatt Papier gibt, so ist die Chance recht gut, das irgendeiner dieser Affen einen Satz von Goethe schreibt. Ist also unser System mehr ein Zufallsprodukt/Glück oder tatsächlich ein gutes System?
TEIL 2: ENTWURF VON TRADINGSYSTEMEN
(Fortsetzung folgt, sofern Bedarf besteht)
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Thema: Tradingsysteme in und mit Metastock
Von: metatrader Am: 07.10.2001 13:34:42 Gelesen: 743
Hallo,
ich habe in der letzten Zeit recht viele Mails und Anfragen von Mitgliedern dieses Boards erhalten. Es ging um Handelssysteme, Datenanbieter und einiges mehr. Da ich momentan beruflich sehr stark ausgelastet bin, konnte ich noch nicht alle Anfragen beantworten. Mit diesem Beitrag möchte ich mal auf einige Kernfragen eingehen und versuchen, einige Grundlagen zu Tradingsystemen zu erklären.
Wenn man hier einige Beiträge liest, so muss man feststellen, das sehr vielen Board
Teilnehmern ein wenig Realismus fehlt (ist nicht abwertend gemeint). So nach dem Motto: Ich habe mir jetzt Metastock gekauft, scanne mit meinen supertollen (evtl. noch in jahrelanger Heimarbeit) entwickelten System mal eben meine US Werte durch und bin in Null Komma Nichts ein reicher Mann. Das ist zwar möglich, aber relativ unwahrscheinlich.
TEIL 1: EINFÜHRUNG
Viele Anfänger machen oft den Fehler, eine Aktie in einer Art Mikrokosmos zu sehen, man erhält ein Kaufsignal (irgendeiner Form) und glaubt, das die Aktie sich dem Handelssignal entsprechend verhält. Warum ist das nicht oder nur teilweise richtig?
Welche Faktoren können den Kurs einer Aktie oder mein System beeinflussen (kleine, nicht vollständige Auswahl)?
0) der Markt, Marktopologie, Marktformen
Es ist wichtig zu verstehen, das man nicht alleine im Markt herumschwirrt, sondern das der Markt aus einer Vielzahl (völlig unterschiedlich agierender) Individuen und Interessengruppen besteht: Den Fundamentalisten, den langfristigen Investor, den Technikern, den Chartis, den Tradern, den Fonds, den Value Investoren, .... und nicht zu vergessen: den oder die Market Maker. Da hier die Preise/Kurse quasi gemacht werden, gilt es besonders diese Spezies zu verstehen( lesenswert: Bücher über Behavioral Finance).
Der Aktienmarkt kann zudem nicht losgelöst vom wirtschaftlichen, finanziellen und sozialen Umfeld gesehen werden. Je geringer die Haltedauer der Investition, desto geringer in der Regel die „Störfaktoren“. Der Markt umfasst aber zum Glück viele messbare Komponenten, die allgemein zugänglich sind. Das Zinsniveau, das Wirtschaftswachstum, die Stimmung (Sentiment), usw.
Das Sentiment ist ein ganz wichtiger Aspekt, in den USA sind diese Informationen allgemein zugänglich und als Indikatoren in Tradingsystemen zu verwenden. Ein paar bekannte:
Arms Trin Index, Trust Oszillator, Advance Decline Line, A/D Ratio, Put/Call Verhältnis, Bullish Percent Indikatoren, McClellan Oszillatoren, Cumulative Tick, Volatilität
Diese Indikatoren können als Rohdaten aber auch gewichtet (über verschiedene Zeithorizonte) eingebaut werden
Die Markttopologie befasst sich mit der Relation von Aktien und oder Indizes, simple Beispiele: Wenn die Telekom Carrier fallen, dann fallen die Zulieferer. Wenn Oracle steigt, dann steigt auch Peoplesoft und SAP. Wenn die Zinsen fallen, steigen Bankenwerte. Wenn Automobilhersteller wachsen, profitieren die Zulieferer. In der Praxis sind diese Modelle natürlich deutlich komplexer.
In der Regel ist es so, das bis zu 80% der Kursgewinne dem Verhalten des Segments/Industriegruppe/Index zuzuordnen sind, darum sollte man immer von oben nach unten seine Anlageentscheidungen treffen.
Da Metastock keine Fundamentaldaten verwalten kann, ist unbedingt bei der Anlage der Datenstruktur darauf zu achten, das man die Aktien nicht kunterbunt oder alphabetisch gruppiert, sondern eine sinnvolle Unterteilung (z.B. nach Indizes, Segmenten, ..) einhält. Dies ist auch wichtig, da sich Finanztitel in der Regel völlig unterschiedlich zu Internetwerten verhalten, ein Nyse Wert anders als ein Nasdaq Wert.
1) Fundamental Daten (Earnings, PE, Cash Flow,...), Ratings, News, Short Interest/ - Ratio, Institutional Ownership, Freefloat
selbsterklärend: Es sollte klar sein, das sich auf längere Sicht eine Aktie nicht ganz losgelöst von den Fundamentaldaten entwickeln kann. Da Metastock aber keine Möglichkeiten hat, Fundamentaldaten in Tradingsystemen zu berücksichtigen, ist man auf andere Programme/Dienste angewiesen.
2) Upgrades, Downgrades, Empfehlungen, Initiations
ein leider manchmal unkalkulierbares Risiko. Wenn ein Analyst meine Aktie gerade nach dem Kauf abstuft, die Firma eine Gewinnwarnung ausspricht, hat man halt Pech gehabt. Leider ist es auch nicht mit der Aktie allein getan, denn wenn eine Cisco massive Problem hat, so führt dies in der Regel auch zu Kursabschlägen bei anderen Werten aus diesem Bereich (siehe auch die Topologien). Leider kommen Downgrades oft technisch sehr unpassenden Stellen (wie z.B. wichtigen Supports).
Man kann im Rahmen der Technischen Analyse versuchen, eventuelle Hinweise auf einen stärkeren Kursausbruch zu finden (ungewöhnlicher Volumenanstieg, hohe Insiderkäufe/-verkäufe, hoher Anstieg in Optionen, ...), aber auch dies schützt nicht vor bösen Überraschungen.
3) Options und open Interest, COT Data
In den USA laufen Optionen am dritten Freitag im Monat aus, aufgrund des bekannten Open Interest auf Optionen kann man den Kurs bestimmen, an dem der Market Maker den geringsten Schaden erleidet (Maximum Pain Theory). Dies ist ein sehr guter Indikator.
Da sich das Smart Money gerne mit Optionen eindeckt, ist es oft hilfreich festzustellen, wenn ungewöhnliche Aktivitäten oder ein überhöhtes Handelsvolumen in gewissen Werten/Branchen entsteht (man denke hier auch an das WTC Attentat).
Commitment of Traders, einmal wöchentlich veröffentlichter Bericht, dem man entnehmen kann, wie sich Large Speculators, Small Speculators und Commercial positioniert haben. Hier sieht man das den Saldo des Open Interest und ob die jeweilige Gruppe long oder short positioniert ist. Auch im Terminmarktgeschäft ein sehr wichtiges Hilfsmittel, da dort die Daten für Silber, Gold, Euro, Korn, ... enthalten sind.
Sollten also die Commercials sich alle auf der Euro Short Seite befinden, kann es technisch noch so gut aussehen, der Euro wird vielleicht trotzdem nicht steigen.
4) Technik
Es gibt eine Unzahl von Analysemethoden: Gann Theorie, Elliot Wave Analyse, Fibonacci, Chaos Theorie, Fraktal Analyse, lienare und nicht lineare Analyse Methoden, Formationen und Pattern, Fuzzy Analyse, Fourier, neuronale Netze, ...
Haben wir einen Bullen oder einen Bärenmarkt, einen Aufwärts- oder Abwärtstrend, einen Oszillierenden Markt, einen Trading oder einen Trending Markt, kauft man die Dips oder wird in die Ralley verkauft, kauft man am Support oder Trendfolgend nach dem Break eines Widerstandes, ...?
Es ist sehr wichtig, das man den Markt und das Käuferverhalten versteht.
Es gibt eine unendliche Anzahl von Indikatoren, die alle Handelssignale generieren, nur liefert ein Trendfolgender Indikator in einem oszillierenden Markt kein brauchbaren Ergebnisse, genauso wenig wie ein Oszillator in einem starken Trend (Markt). Auch muss man erkennen/messen, wie sich ein Indikator zu einem Basiswert verhält (Korrelations-Analyse).
Es gibt verschiedene Chartformen, die sehr häufig zu völlig unterschiedlichen Aussagen führen kann: P&F Charts, Candles, Bars, Three Line Break, Kagi, ....
Es gibt eine große Anzahl von Patterns oder Chartformationen, die man auswerten oder traden kann (wenn man sie denn erkennt). Dies können bullishe oder bearishe Umkehr- oder Trendbestätigungsformationen sein, es können Bull- oder Bearflags sein, Breakaway Gaps, Island Reversals, Hook Reversals, aufsteigende, fallende oder symetrische Dreiecke oder einfache Konsolidierungspatterns sein, Kopf- und Schulterformationen, fuzzy Patterns, double top, tripple bottom, higher highs und higher lows, Trendkanäle, Gann Angle, Fibonacci Retracements, .... (Ende offen)
Je kürzer die betrachteten Zeitintervalle, desto häufiger deren Auftreten.
Es gibt eine fast unendliche Anzahl von Indikatoren, es ist ganz wichtig zu verstehen: Es gibt nicht den Super Indikator, sondern jeder Indikator kann und wird in den entsprechenden Märkten ein gutes oder weniger gutes Handelssignal erzeugen.
5) Zeithorizont
Hier gilt es im wesentlichen drei Faktoren zu unterscheiden:
Das Datenmaterial: Real Tick, 1, 2, 6, 30, 60 Minuten Bars, das Tages- oder Monatsdaten. Es ist sehr wichtig, das man in seinen Anlagehorizont verschiedene Zeithorizonte berücksichtigt: Die übergeordnete Zeiteinheit (z.B der Tag) gibt den Trend vor, die untergeordnete (z.B. 30 Minuten Charts) sind zum Timing fast unerlässlich.
Haltedauer/Anlagehorizont:Man kann eine Position 1 Minute, 1 Tag oder einen Monat halten. Diese Berücksichtigung ist in Tradingsystemen schwierig.
Zum Schluss noch die Zeiteinstellung der Indikatoren, es ist ein gewaltiger Unterschied, ob man ein Stochastik(5,3) oder eine Stochastik(14,5) betrachtet, ob der RSI über 7 oder 28 Tage geht oder der Aaron 7 oder 14 heißt.
So ergibt sich ein oftmals stark divergierendes Bild einer Aktie, oder auch bei den Indikatoren. Während eine Aktie in den 30 Minuten Charts überverkauft ist und Verkaufssignale generiert, werden in den Tages Charts gerade die ersten Kaufsignale erzeugt.
Je mehr unterschiedliche Zeithorizonte quasi paarallel agieren oder reagieren, desto profitabler ist in der Regel ein Trade.
6) Daten
Die Daten sind eines der Kernpunkte, denn mit schlechten Daten bricht jedes Tradingsystem zusammen. Es ist klasse, wenn man Daten für lau bekommen kann, aber ist es das Risiko wert? Fehlende Splits, keine nachträglichen Korrekturen von Fehltrades, ...? Ich denke nicht.
Aus meiner Erfahrung heraus, würde ich bei End of Day Daten Reuters empfehlen ( reutersdatalink.com ), bei Realtimedaten würde ich bei traders-soft.com den Konverter für quotes.com nehmen und die Daten dort beziehen.
Eingangs hatte ich einmal erwähnt, das man bei der Zusammenstellung der Daten sehr sorgfältig vorgehen sollte und leider auch keine Fundamentaldaten in Metastock verwalten werden können. Beides lässt sich mit quotes.com hervorragend lösen. Aus quotes (bzw QCharts) lassen sich (über die quote sheets) nach Segmenten sortierte Listen (via Excel, ASCI) nach Metastock exportieren, die Fundamentaldaten, News etc sind in Realtime verfügbar. Zudem ist QCharts ein sehr gutes Tool.
Ein weiterer Aspekt ist der ausserbörsliche Handel, der häufig zu starken Kursbewegungen führt, darum kann man de facto kaum nach reinen EOD Daten traden.
7) Meine Konkurrenten
Die Konkurrenz ist groß , und sie ist vor allen Dingen gut. Ca. 30% des Handels wird von aktiven Tradern bestimmt, die nichts anderes tun, als den Finger an der Maus zu haben. Mit hochmodernen Ordersystemen kann man in Sekundenschnelle Orders im Markt placieren. Das Angebot an guten Online Handelssystemen, Screening Tools und Online-Services ist ständig am wachsen. Es gibt eine große Anzahl von Firmen, die nichts anderes machen, als Trading- oder Handelssysteme für die mehr als 50 hervorragenden Softwaresysteme zu entwerfen.
Und es gibt den professionellen Trader, der auf Kommissionsbasis für Brokerfirmen oder auf eigene Rechnung arbeitet. So hat jeder größere Broker eine oder mehrere Firmen, die nichts anderes macht, als zu traden, Handelssysteme zu testen oder zu entwerfen. Und hier läuft nicht Lieschen Meier rum, hier sind wirklich Spitzenkräfte am Werk.
Und nicht vergessen sollte man einen Aspekt aus der Evolution: Nur die stärksten überleben


Ein Punkt, der sehr schwer in Tradingsystemen zu implementieren ist, ist das Money und Risk Managment. Es reicht bei weitem nicht aus zu denken, mit einem trailing Stop sei die Sache gegessen.
Da man Gebühren zahlen muss, ist es unerlässlich, die Transaktionskosten zu berücksichtigen. Schwierig ist es oft, den tatsächlichen Spread mit einzubauen: Cisco hat einen Differenz von 2 Cent im Bid und Ask, Veritas vielleicht 20 Cent und manche Aktien vielleicht 2 $. Zudem sollte man bedenken, das der Kauf von Aktien in der Regel zu einer Erhöhung des Preises führt, ein Verkauf in der Regel zu fallenden Kursen. Besitzt man kein Konto in den USA, so werden durch hart gesetzte Stops die Verluste teilweise dramatisch erhöht, wenn der Stopkurs nach Börsenschluss Deutschland unterschritten wird.
Wichtig (aber in Metastock nicht realisierbar) sind Aspekte der Spieltheorie (z.B. Monte Carlo Simulationen). Es ist erwiesen, das man unter Berücksichtigung verschiedener Trade Größen teils dramatische Performanceunterschiede erreichen kann.
Das Risikoprofil der Aktie: Eine Aktie mit einer Intradayschwankung von 10-15% ist anders zu handeln/behandeln wie ein Wert, der in der Regel nur 3% schwankt (Schlagwort Volatilität).
Und ein wesentlicher Aspekt spielt auch die eigene Risikobereitschaft.
Und last, but not least: Entry und Exit Strategien. Jedes System erzeugt Handelssignale, aber wo und wie steigt man ein, wo sind die Stops zu platzieren? Wann wird ein Gewinn oder Verlust realisiert? In Prozenten, Tagen oder nach dem Auftreten bestimmter Ereignisse (z.B. Doji)? Wählt man den Wert eines Indikators (RSI(6) > 60) oder ein Cross zweier Indikatoren oder lieber den Cross mit einer (wie auch immer gearteten) Moving Average?
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So, ich denke, das sollte als eine kurze Einführung genügen. Man könnte über jeden dieser Aspekt Bücher schreiben (und es gibt ja auch eine Menge davon), aber auch so dürfte erst einmal klar geworden sein, worum es geht. Die Börse ist ein knallhartes Geschäft, wo Gruppe oder Individuen danach streben, möglichst hohe Profite zu erzielen. Als "kleinem" Investor oder Trader stehen einem leider nicht alle relevanten Informationen rechtzeitig zur Verfügung und man hat in der Regel nicht die (finanziellen) Mittel, um Kurse manipulieren zu können.
Ein ganz wesentlicher Aspekt ist der ständige Wandel in der technischen Analyse. Durch moderne Analyseverfahren und moderne, superschnelle Rechner ist man heute in der Lage, auch sehr komplexe Scenarien in sehr kurzer Zeit durchzuspielen. Moderne Systeme (z.B. neuronale Netze) sind in der Lage, in Echtzeit auf veränderte Marktsituationen einzugehen. Durch moderne Computer Ordersysteme ist es möglich, vorher eingespielte Scenarien blitzschnell und jederzeit abzurufen (man denke hier an die oft extremen Kurs Veränderungen nach Zinssenkungen in den USA oder nach Gewinnwarnungen).
Bei Trading Systemen ist zudem ein sehr wichtiger Aspekt, ob eine direct Order execution möglich ist, oder wir die Order erst zeitlich verzögert im Markt platzieren können.
Ohne Führerschein kann/darf man kein Auto fahren, wer einen Führerschein besitzt kann nicht unbedingt Auto fahren. Will sagen: Man benötigt gewisse Grundvoraussetzungen, um Tradingsysteme zu entwickeln bzw. an der Börse überleben zu können. Bei Tradingsystemen ist es unabdingbar, das man die Wirkungsweise, den Aufbau und das Zusammenspiel der Indikatoren genau versteht. Welcher Indikator oder welche Kombination in welchem Markt dann funktioniert lehrt einen die Erfahrung. Und je nach individueller Vorbildung ist man eventuell auch gar nicht in der Lage, gewisse statistische oder mathematische Methoden zielgerichtet anzuwenden.
Wenn man einer Million Affen einen Stift und ein Blatt Papier gibt, so ist die Chance recht gut, das irgendeiner dieser Affen einen Satz von Goethe schreibt. Ist also unser System mehr ein Zufallsprodukt/Glück oder tatsächlich ein gutes System?
TEIL 2: ENTWURF VON TRADINGSYSTEMEN
(Fortsetzung folgt, sofern Bedarf besteht)

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